: „Abschottung fand ich kaum“
Die Politikwissenschaftlerin Ayse Almila Akca hat den Austausch islamischer Organisationen mit Kommunen und Kirchen in Baden-Württemberg erforscht. Ihr Fazit: Die Muslime öffnen sich
AYSE ALMILA AKCA, 28, ist Politik- und Islamwissenschaftlerin und arbeitet an einem Promotionsprojekt.
INTERVIEW SABINE AM ORDE
taz: Frau Akca, Sie haben den Zustand des Dialogs mit dem Islam in Baden-Württemberg erforscht. Was überwiegt: die Öffnung oder die Abschottung?
Ayse Almila Akca: Die Öffnung. Natürlich gibt es auch Gemeinden wie in Calw, in denen die islamischen Organisationen wenig Kontakt nach außen haben, und vielerorts ist der Dialog noch holprig, von vielen Missverständnissen geprägt und manchmal auch verstellt. Aber wirkliche Abschottung habe ich kaum vorgefunden.
Woran scheitert es, zum Beispiel in Calw?
Desinteresse auf beiden Seiten, Verständigungsschwierigkeiten, unterschiedliche Ansprüche, Missverständnisse – die Gründe sind vielfältig. Was wichtig ist: Die Kommunen müssen den Dialog aufnehmen und professionell gestalten.
Wo läuft es gut?
Das Paradebeispiel ist Mannheim. Da haben sich richtige Dialogstrukturen herausgebildet. Es gibt wirkliche Auseinandersetzungen und auch gemeinsame Aktionen. Die islamischen Vereine werden als Teil des Viertels begriffen und auch bei Themen wie Parkplätzen oder Stadtbegrünung miteinbezogen. Auch in Kindergärten und Schulen, in kulturellen und städtischen Einrichtungen gibt es einen Austausch. Der Dialog hat die Stadt durchdrungen.
Wie schafft man das?
Zunächst gab es einen Konflikt: Um den Bau einer repräsentativen Moschee. Die Stadt ist damals auf Ditib, den Bauherrn, zugegangen. Das hat die Beziehungen, die es vorher schon gab, vertieft. Ein unabhängiges Institut wurde gegründet, das seitdem eine Vorreiterrolle im Dialog übernommen hat. Das ist bundesweit einmalig.
Langfristig kann sich ein Moschee-Konflikt positiv auswirken?
Auf jeden Fall. Uns ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein solcher Konflikt dazu geführt hat, dass der Dialog abgebrochen wurde. Eher gilt: Wo eine oder beide Seiten den Konflikt gemieden haben, wo ein Industriestandort ausgesucht oder auf Kuppel und Minarette verzichtet wurde, da gibt es keinen Dialog und keine Öffnung. Dass Muslime und ihre Organistionen Rechte und Pflichten haben, muss eben verhandelt werden. In Mannheim dagegen hat die Stadt das Konzept der offenen Moschee auch noch unterstützt, als zeitweilig der Moschee-Vorstand von Anhängern der Grauen Wölfe dominiert wurde.
Ein Dialog mit den rechtsextremen Grauen Wölfen – macht das aus Ihrer Sicht Sinn?
Es wäre falsch gewesen, den Dialog abzubrechen. In Mannheim hat die Offenheit der Stadt auch auf die dortige Milli-Görüs-Moschee abgefärbt. Deren Vorstand hat seinerseits den Dialog mit der Stadt gesucht. Ohne diesen Dialog hat die Stadt keinen Einblick in diese Organisationen und in interne Veränderungen – und damit auch keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen.
Nutzt der Dialog mit diesen Organisationen nicht eher deren Interessen und weniger der Integration?
Zweck: Das Forschungsprojekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten“ hat den Dialog zwischen islamischen Organisationen sowie Kirchen und Kommunen wissenschaftlich bewertet. Dafür wurden 200 muslimische, kommunale und kirchliche Verantwortungsträger befragt. Schwerpunkt des zweijährigen Projekts der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart waren 61 Interviews in acht ausgewählten Kommunen. Ziel: Eine neue Arbeitsgrundlage für die Zusammenarbeit von islamischen Organisationen, Kirchen und Kommunen. Ein entsprechendes Handbuch erscheint im September. SAM
Der Dialog mit Milli Görüs ist noch jung und deshalb schwer zu beurteilen. In Mannheim weiß die Kommune sehr gut, mit welchen Personen sie es zu tun hat, für welche Fraktion in der Organisation sie stehen und welche Veränderungen sich intern vollziehen. Ich glaube, dass eine Öffnung eher fortschrittliche Kräfte in den Organisationen stärkt. Aber es gibt auch Städte, die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen grundsätzlich vom Dialog ausschließen. Stuttgart zum Beispiel.
Und wie läuft es da?
Auch da gibt es Moscheevereine, mit denen es gut läuft. Generell aber ist eher Abschottung die Folge. Die Stadt initiiert gerade ein Projekt für die Qualifizierung von Moscheevorständen, um neue Ansprechpartner zu gewinnen.
Welche Themen sind den Muslimen wichtig?
Insbesondere zwei Dinge: die Imamausbildung und der Islamunterricht. Die Moscheevereine befürworten eine Imamausbildung an deutschen Hochschulen. Beim Islamunterricht sind viele Vorstände skeptisch. Sie empfinden ihn als Konkurrenz zum eigenen Koranunterricht.