Vom Wahnwitz des alternativen Milieus

Die Künstlerin Franziska Becker beschreibt in ihren Cartoons den Feminismus als humorbegabte Wissenschaft. Derzeit sind ihre Arbeiten in Hannover im Wilhelm-Busch-Museum zu sehen – zusammen mit Cartoons von Manfred Limmroth, in denen es auch um den Zeitgeist der 1950er- Jahre geht

VON JENS FISCHER

Live aus dem Frauencafé. „Die Möhren sind total angebrannt, ey!!“ Serviererin: „Du, die Köchin steht in ’ner ungünstigen Mondphase!“ An einem anderen Tisch: „Seit ich stille, habe ich eine total positive Beziehung zu meinen Brüsten!“ Das kann die Frau am Lesbentisch so nicht stehen lassen: „Wenn die Mutterkühe jetzt ihre Jungmacker mitbringen, boykottier’ ich den Laden!!“ Später hinterm Bankschalter belehrt eine Kopftuchträgerin die Kundin: „Tut mir leid, Auszahlungen nur noch mit schriftlicher Genehmigung eines Ehemannes, Vaters, Bruders oder Sohnes!“

Die Künstlerin Franziska Becker, Jahrgang 1949, arbeitet mit Klischees, die durch die Zuspitzung einer ideologisch verbrämten Realität entstehen. Seit 1977 ist die Künstlerin unter anderem Haus-Cartoonistin für die Zeitschrift Emma und kennt sich aus mit dem Wahnwitz des so genannten links-alternativen Milieus, den frustrierten Männern, die mit sensibel-ganzheitlichem Ansatz ihre Vaterrolle mal total intensiv erleben wollen, und den bornierten Frauen. „Der Verstand hinterm Mond, die Vernunft in den Eierstöcken“, schrieb der Spiegel einst über die Becker-Figurinen.

Dabei sind Beckers Arbeiten nie hämisch, es wird vielmehr selbstironisch amüsiert über die Moden und Trends der Szene hergezogen und mit mildem Spott der Feminismus als humorbegabte Wissenschaft akzentuiert. Mit Frauen, die vornehmlich über Frauen lachen – ein wenig wie bei „Sex and the City“.

Franziska Becker bringt ihre Arbeiten mit wunderbar leichtem, verschnörkeltem Strich aufs Papier, aquarelliert mit herrlich kraftvollen Farben, die in ihrer glanzvollen Pracht derzeit in einer Ausstellung des Wilhelm-Busch-Museums Hannover zu erleben sind. Dort hängt auch das großformatige Bild, auf dem sich die Künstlerin in ihrem Kölner Atelier porträtiert, zwischen Farbklecksen, verschmiertem Deckweiß und abgelegten Männer-Karikaturen auf dem Boden. Eine Muse reicht in diesem Atelier die Feder, an der Wand pinnen Vorbilder aus der Kunstgeschichte und zu Beckers Füßen klebt ein Spiegel: Selbstbespiegelungskunst also. Weswegen Becker sich genauso zeichnet wie ihre Figuren: Knubbelnasen, Strubbel-Haar, textile Lässigkeit um einen gedrungenen, von Pummeligkeit heimgesuchten Körper.

Beckers satirischer Witz ergibt sich aus den Widersprüchen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Immer wieder thematisiert wird etwa das Dilemma mancher Frauen, richtige Macker für diverse Gelegenheiten gern mal zu genießen, andererseits diesen Typ Mann aber aus Feminismus-Gründen hassen zu müssen. Immer wieder sind auch Männer zu sehen, die sich als Frauenversteher produzieren oder brach liegende, einst von Frauen genutzte Rollen für sich recyceln. Männer wie Frauen sind dabei häufig so geschwätzig, dass sie von ihren eigenen Sprechblasen fast erdrückt werden.

Im zweiten Teil der hannoverschen Doppelausstellung sind Karikaturen, Buch-Illustrationen, Bühnenbildentwürfe und semiabstrakte Gemälde des im Jahr 2004 im Alter von 76 Jahren verstorbenen Wahlhamburgers Manfred Limmroth zu sehen. Auch er pointiert den Zeitgeist und destilliert das Politische aus dem Alltag heraus - konnte sich in Wirtschaftswunderzeiten, als es noch ein reichhaltiges Spektrum an Printmedien gab, auf dem üppig bevölkerten Cartoonisten-Markt durchsetzen und hatte durch die Vielfalt seiner Auftraggeber - von Pardon über Stern, Neues Blatt, Die Welt, Die Zeit bis hin zu Capital - ein weitaus größeres Themenspektrum als Becker. Und andere Sichtweisen. Emanzipation zeichnete Limmroth 1974 so: eine Frau geht zur Protestkundgebung, auf ihrem Plakat steht „Wir Frauen kommen“, nach der Demonstrationsarbeit kehrt sie zum Gatten zurück. Fragt er: „Und jetzt?“, sagt sie: „Jetzt sind wir da...“ - und presst ihren Körper verführerisch an den seinen.

Mit Limmroth sind auch die 50er und 60er Jahre nachzuerleben: wie jede noch so unmögliche Ecke Europas vom deutschen Camping-Wahn entzaubert wird; wie ein Ehepaar den ersten Fernseher wegschmeißt: „Wir wollen noch mal ganz von vorn anfangen“; wie ein Manager in einem Vogelkäfig lebt – allein mit dem Ungetüm eines frühen Computers. Oder wie zwei Männer vom Dach ihrer Penthouse-Wohnung auf die Angestelltenwelt da unten herabpinkeln: „Wir Unternehmer hier oben sind uns unserer sozialen Verantwortung in jeder Sekunde bewusst.“

Von Manfred Limmroths 4.500 Arbeiten sind in Hannover 196 zu sehen, allesamt wurden sie dem Museum von den Erben des Künstlers geschenkt. Nichts Ungewöhnliches: Seit der Gründung der Wilhelm Busch Gesellschaft als e.V. hat sie zusätzlich zum Busch-Oeuvre bereits über 23.000 Karikaturen und kritische Grafiken aus den letzten vier Jahrhunderten sammeln können.

Bis 24. August im Wilhelm-Busch-Museum, Hannover