: Hackedicht
Die Konzentration auf dem Biermarkt ist ein Ausdruck der Krise, in der sich die Branche seit einigen Jahren befindet
Bier wird deutlich teurer – prophezeien die Brauer seit Monaten. „Es passiert aber selten“, meint Reiner Klinz, der den Biermarkt für die Unternehmensberatung KPMG beobachtet. Denn gut ein Viertel des Bierabsatzes werde als Sonderangebot verkauft. Klinz: „Die Brauer können die höheren Preise nur schwer durchsetzen.“
Der Bierkunde gilt als besonders preissensibel. In den 1970ern debattierte sogar der Bayerische Landtag darüber, ob Brauereien das Bier teurer machen dürfen. Bier gilt unter Experten derzeit als teuer, wenn die Kiste über 15 Euro kostet. Mancher Billiganbieter kämpft mit Preisen unter 6 Euro um jeden Trinker. HG
AUS BERLIN HANNA GERSMANN
Das Bier kommt auf den Hund: Eine kleine niederländische Brauerei bietet „ein Bier für Deinen besten Freund“ an. Die Marke heißt „Kwsipelbier“, etwa: „Schwanzwedel“. Das alkoholfreie Gebräu besteht aus Rindfleischextrakt nebst Malz und wird dem Hund lauwarm serviert. Die Bierbrauer versuchen derzeit alles, um zu überleben.
Sie suchen die Nische, oder sie schlucken sich gegenseitig. Am Montag hat der belgisch-brasilianische Großkonzern InBev für 52 Milliarden Dollar die US-Brauerei Anheuser-Busch gekauft. Da das Geschäft anfangs nach einer feindlichen Übernahme aussah, hatte sich zuletzt auch der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama aus Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen versucht, gegen die Fusion ausgesprochen. Vergeblich.
Diese Fusion ist ein weiteres Indiz für die Krise, in der sich die Branche befindet. Das gilt auch für Deutschland. Früher servierte Oma Biersuppe zum Mittagessen, und Playmobil verkaufte in einer Schachtel mit Bauarbeitern gleich noch die kleine Plastikkiste Bier mit. Doch schon seit fast 15 Jahren sinkt der Absatz von Bier. Mittlerweile kommt jeder Deutsche nur noch auf 112 Liter im Jahr. Mitte der Siebzigerjahre waren es noch 150 Liter.
Auf das „einzig Wahre“, die „Perle der Natur“, auf „keine Kompromisse“ hat das Volk der Biertrinker nur noch mäßig Durst. Die einstigen Trinker werden alt und genügsam, eine neue trendige Hopfen-und-Malz-Szene gibt es aber nicht. Die Eckkneipe verkommt zum Auslaufmodell. Die Pressesprecher von Warsteiner, Krombacher oder Veltins beklagen den „demografischen Wandel“. „Die verwenderfreudige Zielgruppe“ werde kleiner, sagen sie. Denn „die Ausgehfreudigen zwischen 20 und 35 trinken Energydrinks, die Bionaden dieser Welt oder Cocktails“.
Der Markt ist abgefüllt. Zugleich – und das ist das nächste Problem – steigen die Preise für die Rohstoffe und wird die Herstellung teurer. Viele Bauern setzen auf die mit staatlichen Subventionen gedüngten Bioenergiepflanzen. Für die Bier-Ingredienzen Gerste und Hopfen bleibt kaum Platz. So ist der Preis für Braugerste, aus der das Malz gewonnen wird, letztes Jahr um fast 90 Prozent gestiegen.
Malz schlägt zwar nur mit 6 Prozent und Hopfen nur mit 1 Prozent bei den Produktionskosten zu Buche. Das ist für sich genommen nicht viel. Aber die Posten summieren sich. Im Sudhaus brauchen die Brauer viel Hitze, und Energie kostet auch immer mehr. Obendrein steigen die Preise für die Glasflaschen. Eine Alternative dazu gibt es nicht. Die Kunden verschmähen Kunststoff, und die Dose hat ausgedient, seit man dafür Pfand zahlen muss.
Auf dem Getränkemarkt wird deshalb so viel fusioniert wie auf kaum einem anderen Markt. Zwar bieten 1.300 Brauereien hierzulande 5.000 Biersorten an, doch nur zehn Konzerne beherrschen 70 Prozent des deutschen Geschäfts. So gehören InBev längst Label wie Beck’s, Diebels oder Löwenbräu, und hinter den Marken Kölsch, Jever oder Clausthaler verbirgt sich der deutsche Branchenführer, die Radeberger Gruppe. Der dänische Carlsberg-Konzern schließlich hat sich Holsten und Astra einverleibt.
InBev. Hauptsitz: Leuven/Belgien. Umsatz 2007: 14,43 Milliarden Euro. Gesamtproduktion 2007: 270,6 Millionen Hektoliter Bier. Marken aus Deutschland: Beck’s, Diebels, Hasseröder, Franziskaner, Löwenbräu u. a. Marken international: Stella Artois (BEL), Staropramen (CZE), Tinkoff (RUS), Boddingtons (UK), Labatt (CAN) Brahma (BRA), Apatinska Pivara (SER), Ožujsko (CRO)u. a.
SABMiller. London. 18,62 Mrd. Dollar. 216 Mio. hl Bier. Marken international: Pilsner Urquell (CZE), Miller (USA), Ursus (ROM), Castle (RSA), Peroni (ITA), San Juan (PER) u. a.
Anheuser-Busch. St. Louis/USA. 16,7 Mrd. Dollar, 190 Mio. hl Bier. Marken international: Bud, Bud Light Michelob, Busch (USA), beteiligt an Corona (MEX), Tsingtao (CHI) u. a.
Heineken. Amsterdam. 12,6 Mrd. Euro. 139 Mio. hl Bier. Marken aus Deutschland: Fürstenberg. Marken international: Heineken, Amstel (NL) Birra Moretti (ITA), Primus (CON), Cruzcampo (ESP), Murphy’s (IRL), Zywiec (POL), Almaza (LIB) u. a.
Carlsberg: Kopenhagen. 6 Mrd. Euro. 115,2 Mio hl Bier. Marken aus Deutschland: Holsten, Astra, Lübzer u. a. Marken international: Carlsberg, Tuborg (DK), Baltika (RUS), Pripps Blå (SWE), Karhu (FIN), Ringnes (NOR), Feldschlösschen (SUI), Super Bock (POR) u. a. TAZ
Man muss sich nur die Internetseiten der Bierbrauer anschauen, dann weiß man, wie sich die Premiummarken der kritischen Zukunft stellen: Mit aggressiver Werbung versuchen sie, Bierverächter zu bekehren – das sind erstens die Frauen, zweitens die Jugendlichen, drittens die Sportler. Etwa die Bremer Brauerei Beck und Co: Frauen im Bikini preisen auf www.becks.de „Beck’s Gold“ an. Die Sorte ist milder als das herkömmliche Bier. Auf der Homepage von Veltins vergnügen sich hippe, junge „people“ am „V+Paradise Beach“, man kann „vlirten, vreizeit und verreisen“ – und chatten bei vplusfriends.de. Die bunten V+ Biermischgetränke mit Lemon oder Cola sind dabei eher Staffage – die sich für Veltins dennoch zu einem einträglichen Nebengeschäft entwickelt. Andere geben sich derweil sportlich: „Löscht den Durst nach dem Sport“, preist Erdinger sein alkoholfreies Weizenbier an.
Viele Möglichkeiten bleiben den Brauern jedoch nicht: Der deutsche Biertrinker ist ein Gewohnheitsmensch – und trinkt allen Moden zum Trotz noch immer zu 60 Prozent Pils, nur zu 6 Prozent Weizen und zu nur 5 Prozent Biermischgetränke.
Das globalisierte Geschmackseinerlei lehnt dann aber doch so mancher Bierfreund ab und bevorzugt stattdessen Bier aus kleineren Fabriken. Das Tannenzäpfle-Bier aus der badischen Staatsbrauerei Rothaus ist längst bundesweit in Mode – trotz eines altmodischen Etiketts mit blondem Mädel in Dirndl und blauem Kopftuch. Mancher reist nach Bamberg, um das örtliche Rauchbier zu testen. Und in Berliner Bars kommt neuerdings Helles der Münchener Augustiner Brauerei auf den Tisch. Die internationale Bierbranche spaltet sich – in ganz große und ganz kleine.