piwik no script img

Archiv-Artikel

Ölteppich auf der Elbe

Nach einer Schiffshavarie strömen etwa 400.000 Liter Diesel in den Fluss. Mehrere Naturschutzgebiete betroffen. Treibstoff soll abgesaugt werden

SCHWEFELSÄURE IM HAFEN

Die Havarie des Tankschiffes „Ena 2“ am 28. Juni 2004 war der bislang letzte schwere Unfall mit umweltschädlichen Stoffen auf der Elbe gewesen. An jenem Abend kollidierte der 62 Meter lange Chemikalientanker im Hamburger Hafen mit dem 300 Meter langen Containerfrachter „Pudong Senator“. Die „Ena 2“ sank, etwa 950 Tonnen Schwefelsäure traten aus den beschädigten Tanks aus. In der näheren Umgebung verendeten Fische, elf Menschen erlitten Verätzungen. Vor dem Amtsgericht Hamburg wurde der Kapitän der „Ena 2“ im Februar 2006 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Er war bei der Havarie mit einem Alkoholpegel von 2,5 Promille laut Gutachten „absolut fahruntüchtig“. Als Konsequenz aus diesem Unfall hat der Bundestag im Jahr 2005 die allgemeine Promillegrenze in der Seeschifffahrt von 0,8 auf 0,5 gesenkt. Für Gefahrguttransporte wurde eine Null-Promille-Regelung eingeführt.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Nur knapp ist am Mittwoch eine ökologische Katastrophe auf der Elbe verhindert worden. Einen zeitweise bis zu zwölf Kilometer langen Film aus Dieselkraftstoff konnten am Nachmittag Feuerwehren und Technisches Hilfswerk weitgehend eingrenzen. Seit dem frühen Morgen waren 150 Mann und technisches Gerät vor Ort, am Nachmittag kam ein Ölbekämpfungsschiff hinzu.

Betroffen ist der Flussabschnitt zwischen dem Stauwehr Geesthacht in Schleswig-Holstein und Oortkaten auf Hamburger Gebiet. Auch die Luhe-Ilmenau-Niederung auf dem niedersächsischen Südufer der Elbe wurde in Mitleidenschaft gezogen. Nach ersten Berichten sind etliche Wasservögel durch das Dieselöl verklebt worden, verendete Tiere wurden bis zum Abend aber nicht gefunden.

Bei einer Schiffskollision im Morgengrauen waren bei Hamburg-Altengamme bis zu 400.000 Liter Diesel aus dem 82 Meter langen Tankschiff „Undine“ entwichen. Es war aus noch ungeklärter Ursache mit entgegenkommenden Frachter „Aldebaran“ havariert. Dessen Anker riss ein Leck in die Steuerbordseite der „Undine“ und beschädigte vier der acht Tanks. Das Schiff erreichte noch den wenige Kilometer entfernten Schleusenkanal in Geesthacht, wo Feuerwehr und Wasserschutzpolizei die Lecks abdichteten und den restlichen Kraftstoff abpumpten.

Der auslaufende Diesel bildete anders als Schweröl und zum Glück für Vögel und Fische keine geschlossene Decke. „Es ist eher ein Flickenteppich“, sagte Hamburgs Feuerwehrsprecher Peter Braun. Mit Ölsperren sollte die Ausbreitung des Treibstoffs verhindert werden. Ziel der Bemühungen war es, den mit dem ablaufenden Wasser am Nachmittag flussabwärts treibenden Film in den Oortkatener Hafen zu leiten. Dort soll er heute abgeschöpft werden.

Das Ausmaß der Schäden für die Natur war nach Angaben der Hamburger Umweltbehörde am Nachmittag noch nicht abzusehen. Ölsperren wurden vor das Naturschutzgebiet Zollenspieker und das besonders gefährdete Naturschutzgebiet Heuckenlock an der Süderelbe gelegt. Dieses ist mit seiner Sumpf- und Wasserwildnis eines der letzten Süßwasser-Wattgebiete in Europa.

Umweltschützer befürchten seit gestern schwerwiegende Folgen für Flora und Fauna an der Elbe. „Der ausgelaufene Diesel wird in den ökologisch wertvollen Lebensräumen erhebliche Schäden anrichten“, sagt Bernd Quellmalz vom Naturschutzbund (Nabu) in Hamburg. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) kritisiert, dass die Absperrung von Zollenspieker viel zu spät erfolgt sei. Die dort lebenden Wasservögel würden das Gift spätestens dann aufnehmen, „wenn sie ihr verschmutztes Gefieder reinigen“, warnt der Hamburger Landeschef Manfred Braasch.

Es sei unmöglich, das gesamte Dieselöl abzupumpen, schätzt Beatrice Claus vom World Wide Fund for Nature (WWF). Ein Teil würde „nicht an der Oberfläche bleiben“, sondern absinken und den Sauerstoffhaushalt des Flusses beeinträchtigen. Für die durch Ausbaggerungen, Schadstoffeinträge und Kraftwerke „ohnehin schon stark geschädigte“ Elbe sei dieser Unfall eine kaum zu verkraftende zusätzliche Belastung, sagt Claus.