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Archiv-Artikel

Gelöster Nationalitätenkonflikt

betr.: „Staatskunde für Anfänger“, taz vom 16. 7. 08

Sezgins einerseits eher abstrakte und andererseits auf individuelles Erleben gestützte Argumentation pro Gesetzestreue und contra Loyalität im Sinne freundschaftlicher Verbundenheit kann man konkret mit der Lösung eines historischen Nationalitätenkonflikts untermauern: dem seit dem Aufblühen der Nationalbewegungen in Europa und dem damit verbundenen Zusammentreten des ersten deutschen Parlaments im Jahre 1848 (Paulskirchenversammlung) aggressiv und kriegerisch ausgetragenen Schleswig-Holstein-Konflikt zwischen Deutschland und Dänemark, der erst 1954 mit der Bonn-Kopenhagener Erklärung beigelegt wurde. Ebendiese von der Regierung Adenauer (!) unterzeichnete Erklärung sichert Angehörigen der dänischen Minderheit in SH freies nationales Bekenntnis im kulturellen Sinne auf Grundlage der im Grundgesetz garantierten Bürger- (sic!) und Freiheitsrechte zu. Kurz: Das Grundgesetz erlaubt es ausdrücklich, sich zu einer anderen Nationalität und/oder Kultur zu bekennen (was den Begriff Leitkultur ad absurdum führt).

Sicherlich ist es angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft für Deutschdänen respektive Dänendeutsche vergleichsweise einfach, ihre jeweilige Loyalität zum jeweils anderen Land auszudrücken und zu pflegen. Doch warum sollte das gleiche Prinzip nicht auch für Menschen anderer Nationalitäten gelten, für die aufgrund der Entfernung zu dem jeweiligen Land, dem sie sich verbunden fühlen, eben der Pass derselben Ausdruck emotionaler Verbundenheit ist? Viele Konservative geben vor, an Traditionen und Sitten festzuhalten. Tatsächlich aber kennzeichnet kompromisslose Ablehnung doppelter Staatsbürgerschaften mit dem angeblichen Loyalitätsargument lediglich Geschichtsvergessenheit.

ROLAND BÖSKER, Bremen