: „Wie eine Wundertüte“
St. Pauli-Trainer Holger Stanislawski über die Saisonziele und die begrenzten Möglichkeiten des Clubs vom Kiez. Für ihn ist klar: „Wenn sich der Erfolg nicht einstellt, werde ich den Kopf hinhalten müssen“
HOLGER STANISLAWSKI, 38, gelernter Masseur, ist seit Juli vergangenen Jahres Teamchef des FC St. Pauli. Foto: DPA
INTERVIEW MARCO CARINI
taz: Herr Stanislawski, warum ist der FC St. Pauli stärker als in der vergangenen Saison?
Holger Stanislawski: Wir haben uns durch unsere Neuzugänge qualitativ verstärkt. In der Offensive verfügen wir mit Marius Ebbers und Rouwen Hennings aber auch David Huilott jetzt über mehr Alternativen. Außerdem sind wir alle ein Jahr reifer und weiser geworden. Bestimmte Fehler sollten uns nicht mehr passieren
Wie lautet das Saisonziel?
Wir wollen auf einen einstelligen Tabellenplatz.
Jedes Jahr schnappen Ihnen sportlich mittelmäßige Zweitligavereine ihre Wunschspieler weg, weil sie mehr Geld in der Kasse haben. Wie will St. Pauli so mittelfristig an der Tür zur Bundesliga anklopfen?
Wichtig ist, dass wir uns weiter konsolidieren und dürfen nicht wieder in den Fehler verfallen, Geld rauszuhauen, dass wir nicht haben. Wir müssen deshalb geduldig sein und fünf Prozent besser und akribischer arbeiten als unsere Konkurrenz. Wenn die Konsolidierung auch durch den Stadionausbau voranschreitet, werden wir irgendwann auch den einen oder anderen namhaften Spieler verpflichten können.
Der namhafteste Neuzugang für die kommende Saison ist Stürmer Marius Ebbers. Dass sich viele Hoffnungen der Fans auf ihn fokussieren, könnte für ihn zur Bürde werden.
Marius ist lange genug im Geschäft, um damit umgehen zu können. Wir haben ihn bewusst als Flaggschiff geholt. Er soll die jüngeren Spieler führen und helfen, dass wir mit unseren Chancen weniger fahrlässig umgehen.
Ein anderer Stürmer steht auf dem Abstellgleis. Haben Sie ihre Integrationsfähigkeit überschätzt, als Sie vor einem Jahr mit Rene Schnitzler einen Spieler verpflichteten, dem der Ruf vorauseilte, keine Profi-Einstellung mitzubringen?
Man hat immer die Hoffnung, dass die Jungens merken, was sie investieren müssen. Das war bei ihm nicht der Fall. Nach all dem was hier vorgefallen ist, haben wir ihm deshalb mitgeteilt, dass es vielleicht besser ist, wenn er in einem anderen Verein einen Neuanfang versucht. Er ist bei uns geblieben und wir werden seine Entwicklung jetzt weiter ganz genau beobachten.
Sie werden wegen ihrer Trainerausbildung bis April 2009 weite Strecken der Saison in Köln statt in Hamburg verbringen. Wie wollen sie die Mannschaft aus der Distanz führen?
Ich vertraue dem Trainerteam zu hundert Prozent und gebe der Mannschaft einen Vertrauensvorschuss, dass sie vernünftig mitzieht, wenn ich nicht da bin. Da es nicht leicht ist, den Lehrgang und den Trainerjob in Einklang zu bringen wird die Saison für mich zur Wundertüte. Klar ist: Wenn sich der sportliche Erfolg nicht einstellt, werde ich den Kopf hinhalten müssen.
Wie arbeitet es sich unter Ihrem neuen Vorgesetzten, Sportchef Helmut Schulte?
Wir arbeiten bestens miteinander. Helmut Schulte hat sich hervorragend in das bestehende Team integriert und jeder von uns weiß ganz genau, was er in seinem Bereich zu tun hat.
Was ist mit einem hauptamtlichen Sportchef möglich, was bislang mit Ihnen als Trainer und Sportchef in Personalunion nicht möglich war?
Als ich das in der Doppelfunktion neben dem Trainerjob gemacht habe, sind viele Dinge liegen geblieben. Helmut Schulte soll vor allem den Nachwuchsbereich stärken und das Scouting-System ausbauen. Denn darin liegt unsere sportliche Zukunft.