WAS MACHT EIGENTLICH ... das Maultäschle?
: Nach Fehmarn emigrieren

Ist dieser Text nur für Schwaben oder Badenser?

Mitnichten! Wer das „Maultäschle“ liebte, tat das nicht nur wegen der besten gebratenen oder geschmelzten Maultaschen der Stadt, sondern auch wegen der ausgesprochen multikulturellen Küche. Für die war die 58-jährige Sevim Kern zuständig, die mit ihrem Mann Alfons vom Schwarzwalddörfchen Schramberg nach Berlin gekommen war. Dort wagten sie den Sprung in die Selbständigkeit und eröffneten 2003 in der Charlottenstraße das „Maultäschle“. Seitdem gab es in Berlin-Mitte nicht nur badisch-schwäbische Hausmannskost, die Sevim Kern bei ihrer Schwiegermutter kochen gelernt hat. Sie servierte auch Maultaschen mit Soße aus Minzjoghurt. Schwäbisch-türkische Küche, das war selbst in Berlin was Neues. Und sie wurde sogar geadelt – vom schwäbischen Maultaschenkönig Helmut Bantle persönlich!

Leider sah das der Besitzer des schicken Bürohauses, in dem das Maultäschle viel zu wenige Quadratmeter hatte, nicht so. Er kündigte den Mietvertrag von heute auf morgen – wegen des Essensgeruchs.

Nun muss Sevim Kern schon zum dritten Mal umziehen: zuerst vom türkischen Adana nach Villingen-Schwenningen, wo sie beim Studium ihren Mann kennenlernte; dann von Baden nach Berlin; und nun eben von Berlin nach Fehmarn. Dort übernehmen Sevim und Alfons im August das Wirtshaus „Zur Traube“.

Gut möglich, dass es das türkisch-schwäbische Gastronomenpaar dort zu ähnlicher Berühmtheit bringt wie der Sansibar-Wirt Herbert Seckler auf Sylt. Für Berlin ist es eine kulinarische Katastrophe. WERA   ABB.: AP