piwik no script img

Archiv-Artikel

Konkurrenz in Atombranche erhöht Risiken

Immer mehr Zeitarbeiter arbeiten in französischen Atomkraftwerken – mit niedrigeren Sicherheitsstandards

Von DORA
Die Energiegewerkschaft CGT fordert „mehr Transparenz und eine Beteiligung der Beschäftigten“

Die rund 270.000 Beschäftigten der französischen Atomindustrie haben verhältnismäßig gute Arbeitsbedingungen und Löhne. Doch ihre soziale Lage verschlechtert sich. Die CGT, größte Energie-Gewerkschaft, klagt über steigenden Arbeits- und Konkurrenzdruck. Bei den französischen Elektrizitätswerken EDF, welche die Atomkraftwerke betreiben, werde die Rentabilität wichtiger, so die CGT. Das führe dazu, dass zunehmend Aufgaben aus dem Inneren der Atomindustrie an private Subunternehmen verlagert werden. Begründung: Sie arbeiten schneller und billiger.

Die Gewerkschaft CGT ist nicht atomkritisch. Als Staatspräsident Nicolas Sarkozy ankündigt, Frankreich werde demnächst im eigenen Land einen zweiten EPR – einen European Pressurized Reactor, der gemeinsam von Siemens und Areva produziert wird – bauen, applaudiert die Gewerkschaft umgehend.

Als aber wenige Tage später mindestens 74 Kilogramm Uran bei der „Socatri“ in Tricastin auslaufen, fordert die CGT „mehr Transparenz in dem Sektor und eine Beteiligung der Beschäftigten an der Organisation der Arbeit“. Beides seien, so die Gewerkschaft, „Grundbedingungen für ein hohes Sicherheitsniveau.

Der neue Zwischenfall in Tricastin bestätigt diese Klage. Virginie Neumayer, CGT-Sekretärin in der Atomanalage, wirft der EDF in Le Parisien vor, dass sie der Rentabilität zuliebe die Unterbrechung der Reaktoren für Wartungsarbeiten kurz gestalte und der Druck bei den Arbeiten groß sei.

Der neue Unfall in Tricastin hat die bislang größte Zahl von Beschäftigten verstrahlt. Als „Arbeitsunfall“ gilt das Geschehen offiziell nicht. Nach der Reihenuntersuchung hörten die Beschäftigten lediglich, ob ihre Strahlenbelastung „gefährlich“ oder „ungefährlich“ war – nach den Kriterien der Atomindustrie. Einzelheiten erfuhren sie nicht. Da die Einstufung als „Arbeitsunfall“ fehlt, könnten sie zu Nachwirkungen nur schwer einen Zusammenhang herstellen.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Mehrheit der Betroffenen Zeitarbeiter waren. Ihre Strahlenbelastung wird nicht annähernd so sorgfältig verfolgt wie jene von fest angestellten Beschäftigten der Atombranche. DORA