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Archiv-Artikel

Der weltoffene Afghanistankrieger

Barack Obama hat alle Erwartungen erfüllt – und zugleich Enttäuschung ausgelöst. Er lehnt die Folter ab, kämpft gegen Armut und Atomwaffen – und wird eben doch ein US-Präsident

Obama hat nicht mehr getan, als zu versprechen, den Sperrvertrag für Atomwaffen mit Leben zu erfüllen. Wer das für eine Illusion hält, ist zaghaft

AUS BERLIN BETTINA GAUS

Der Mann hielt ein Transparent gegen die Todesstrafe in die Höhe, als er von orange gekleideten Sicherheitskräften sanft aus dem abgesperrten Bereich vor der Siegessäule in Berlin geführt wurde. Ein „Skandal“ sei das, rief der Demonstrant. Er wolle schließlich nur seine Meinung kundtun. Aber genau das war eben nicht gestattet in der näheren Umgebung der Bühne, von der aus Barack Obama seine Rede als „Weltbürger“ hielt. Transparente waren verboten – gegen US-Fähnchen, die vor der Ansprache großzügig verteilt wurden, hatten die Organisatoren nichts einzuwenden.

Die Strategen im Obama-Team waren offenbar besorgt gewesen, dass Parolen gegen Amtsinhaber George W. Bush oder andere US-kritische Äußerungen in den Vereinigten Staaten nicht gut ankommen würden. Deutsche Zuhörer, die begeistert das Sternenbanner schwenken, machen sich besser. Obama habe eine Wahlkampfrede gehalten, „die zwar zu uns Deutschen gesprochen wird, aber an die Amerikaner gerichtet ist,“ analysierte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Eckart von Klaeden.

Rechtlich ist gegen das Verbot von Transparenten nichts einzuwenden – Veranstalter derartiger Kundgebungen genießen auch auf öffentlichen Plätzen eine Art Hausrecht. Aber es hinterlässt doch einen schalen Beigeschmack, wenn jemand wie Barack Obama, der gerne von „wahrer Freundschaft“ und von Demokratie spricht, vorübergehend wegen eigener Interessen mal eben wichtige Grundrechte aushebelt. Die deutsche Öffentlichkeit hat die Einschränkung der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit achselzuckend hingenommen. Ob die Reaktion ebenso gelassen ausgefallen wäre, wenn Obamas Konkurrent John McCain eine Rede in Deutschland hätte halten wollen?

Einem Hoffnungsträger wird vieles verziehen. Dabei hat Barack Obama manche Erwartungen seines Publikums enttäuscht. „Vielleicht ist er doch nicht so links, wie ich dachte,“ sagte ein junger Mann auf dem Heimweg zu seiner Freundin. Gerade die Passage, in der er sich unmissverständlich zum Krieg in Afghanistan bekannte und die Unterstützung der Bundeswehr einforderte, nahmen viele Zuhörer kühl auf.

Dabei hatte Obama in Berlin nichts anderes gesagt als bei Auftritten zu Hause: dass diese Nato-Mission nicht scheitern dürfe und dass die Vereinigten Staaten dafür auf die Hilfe der Verbündeten angewiesen seien: „Das afghanische Volk braucht unsere Truppen und Ihre Truppen.“ Auch der Bewerber der Demokraten setzt bei der Bekämpfung des Terrorismus also nicht ausschließlich auf die Mittel der Diplomatie, sondern daneben auf die des Militärs. Als rein taktisches Manöver sollte das niemand verstehen.

Andere Sätze entsprachen eher dem, was diejenigen von der Rede erwartet hatten, die auf einen grundlegend neuen Kurs der US-Politik hoffen. „Jetzt ist die Zeit gekommen, an dem wir gemeinsam diesen Planeten retten müssen“, rief Obama mit Blick auf den Klimawandel. Alle Nationen – „einschließlich meiner eigenen“ – sollten mit der Entschlossenheit der Deutschen die Treibhausgase verringern. Da brandete Beifall auf.

Applaus gab es auch, als der Präsidentschaftsbewerber von den Menschenrechten des Dissidenten in Birma, des Bloggers im Iran und des Wählers in Simbabwe sprach. Die eindeutige Ablehnung der Folter gefiel dem Publikum. Ebenso dieses: „Die Mauern zwischen armen und reichen Ländern müssen fallen. Die Mauern zwischen Christen, Muslimen und Juden müssen fallen.“ Das sind zwar Gemeinplätze, aber es tat den Zuhörern erkennbar gut, dass sie – endlich – einmal wieder von einem US-Spitzenpolitiker ausgesprochen wurden. George W. Bush hat erreicht, dass seine Gegner in ihren Ansprüchen bescheiden geworden sind.

Vielleicht zu bescheiden. Der interessanteste Teil der Rede von Barrack Obama nämlich ging in den ersten Reaktionen auf die Ansprache beinahe unter: dass der Bewerber sich für nukleare Abrüstung ausgesprochen hat. „Eine Welt ohne nukleare Waffen“ nannte er sein Ziel – und das würde ja zwangsläufig auch Abrüstung in den USA bedeuten.

Manche Leitartikler werteten das als „Träumerei“, und das Schweigen der deutschen Außenpolitiker zum Thema ist beredt. Dabei hat Barrack Obama damit nicht mehr getan als das Versprechen abzugeben, den Atomwaffensperrvertrag mit neuem Leben erfüllen zu wollen. Wer diesen Plan bereits für eine Illusion hält, ist schon sehr zaghaft.