: Recht auf reine Luft
VON CHRISTIAN RATH
Der Kläger Dieter Janecek ist Geschäftsführer der bayerischen Grünen und wohnt an der Landshuter Allee, einer achtspurigen Münchener Hauptverkehrsader. Jahr für Jahr werden die Grenzwerte für Feinstaub dort massiv überschritten. 2005 lag die Belastung an 107 Tagen über dem Grenzwert, 2006 an 92 Tagen, 2007 an 53 Tagen und 2008 bereits an 33 Tagen. Die EU-Feinstaub-Richtlinie erlaubt aber nur 35 Überschreitungen pro Jahr.
Janecek sieht seine Gesundheit und die seiner Mitbürger bedroht. Er klagte deshalb gegen die Stadt München auf wirksame Luftreinhalte-Maßnahmen. Einen ersten Erfolg erzielte er im vergangenen September. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied, dass ein Bürger Verkehrsbeschränkungen auf einzelnen Straßen einklagen kann, wenn die Feinstaub-Belastung zu groß ist.
Da die Staubbelastung aber meist nicht nur von einer Straße ausgeht, war Janecek damit noch nicht zufrieden. Auch die EU-Richtlinie sieht vor, dass das komplexe Feinstaub-Problem, zu dem Verkehr, Hausheizungen und Industrie beitragen, mit Hilfe von umfassenden Aktionsplänen angegangen werden muss. Nach deutschem Recht kann jedoch ein einzelner Bürger solche Aktionspläne nicht einklagen, hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Gestern nun zeigte sich, dass das EU-Umweltrecht großzügiger ist. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass auch ein „unmittelbar betroffener Bürger“ einen Aktionsplan gegen Feinstaub verlangen kann. Dies entspreche dem „zwingenden Charakter“ der EU-Richtlinie, so die Richter.
Doch was kann ein Bürger nun konkret einklagen? Die sofortige Einhaltung der Grenzwerte? Oder nur den Versuch, sich den Grenzwerten anzunähern? Die EU-Richtlinie war in dieser Frage widersprüchlich. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof jetzt einen Mittelweg gewählt. Kurzfristig müssen die Behörden nur das aktuell mögliche „Minimum“ mit verhältnismäßigen Maßnahmen anstreben. Doch zugleich müssen sie auch Schritte benennen, wie sie die dauerhafte Einhaltung der Grenzwerte erreichen wollen.
Anwalt Remo Klinger, der das Urteil erstritten hat, ist damit zufrieden: „Wir haben nie gesagt, dass sofort der ganze Verkehr in den Innenstädten stillgelegt werden muss. Entscheidend ist, dass die Behörden die erforderlichen Maßnahmen zügig und nicht nur symbolisch angehen.“ Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, kündigte dort weitere Musterklagen an, „wo Kommunen nicht unverzüglich handeln“. Zuständig sind für solche Luftreinhaltepläne in Deutschland meist die Regierungspräsidien.
Seit Beginn des Rechtsstreits hat sich auch in München etwas getan. Der Transitverkehr von Lkws darf seit Ende letzten Jahres nicht mehr durch die Stadt fahren, sondern muss die Ringautobahn nutzen. Die Regierung von Oberbayern hofft, dass der Feinstaub-Grenzwert auf der Landshuter Allee deshalb 12 Tage weniger überschritten wird. Anwalt Klinger ist skeptisch. „Das Transitverbot ist schwer zu kontrollieren, weil man einem Laster ja nicht ansieht, wo er hinfährt.“
Außerdem ist in Münchens Innenstadt ab Oktober eine Umweltzone geplant. Dann dürfen dort nur noch relativ abgasarme Fahrzeuge mit grüner, roter oder gelber Plakette fahren. Auch hier hat Anwalt Klinger Kritik: „Ausgerechnet die Landshuter Allee zählt nicht zur Umweltzone.“ Bayerns Umweltminister Otmar Bernhard (CSU) ist dennoch zufrieden: „Bayern hat seine Hausaufgaben gemacht.“
Aktenzeichen C-237/07