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Archiv-Artikel

Ver.di-Chef Bsirske löst Flugticket nach

Nach dem Wirbel um Frank Bsirskes Freiflug knickt der Gewerkschaftsboss ein und gesteht Fehler. Wirtschaftsforscher Hickel kritisiert Privilegien für Aufsichtsräte als „Pfründeökonomie“. Doch in den Konzernen sind sie offenbar eher die Ausnahme

NACH DEM STREIK IST VOR DEM STREIK

Zwar gibt es zwischen der Gewerkschaft Ver.di und der Lufthansa seit Freitag eine Tarifeinigung, doch der Ärger ist noch immer nicht vorüber: Zum einen reicht den Technikern das Ergebnis nicht, nach dem die Bezüge der rund 34.000 Beschäftigten am Boden in zwei Stufen um 7,4 Prozent steigen sollen. Ver.di will die Einigung darum noch einmal erläutern, bevor dazu am Mittwoch die Urabstimmung anläuft. Zum anderen rechnet die Pilotenvereinigung Cockpit fest mit einem Warnstreik der Flugkapitäne. Wann dieser losgehen soll, wollte Gewerkschaftssprecher Markus Kirschneck am Montag allerdings nicht sagen. Der Ausstand des Bodenpersonals vergangene Woche wirkt sich auch noch immer auf den Flugbetrieb aus: Seit Ende des Streiks am Samstagmorgen wird der aufgelaufene Stau der zu wartenden Flugzeuge abgearbeitet. Am Montag fielen 130 Flüge aus. Bis Freitag sollen es täglich 40 Flüge sein. Der Sonderflugplan wurde verlängert. AP

VON HANNA GERSMANN UND STEPHAN KOSCH

So weit wird es wohl nicht kommen: „Südsee-Bsirske rudert zurück“, titelte gestern Bild doppeldeutig. Dabei wird der Vorsitzende der Gewerkschaft Ver.di wahrscheinlich wieder das Flugzeug nehmen, wenn er seinen Urlaubsort wieder verlässt. Aber wahrscheinlich wird er sein Ticket bezahlen – obwohl er das als Aufsichtsratsmitglied der Lufthansa nicht müsste. Weil das Nutzen dieses Privilegs durch Bsirske aber in letzter Zeit ziemlichen Wirbel verursachte, gab Bsirske nun nach. „Ich habe (…) die Brisanz, die dieser Flug in der öffentlichen Wahrnehmung ausgelöst, unterschätzt. Das war falsch“, sagte Bsirske der Zeitung. Er habe das Büro des Aufsichtsrats gebeten, ihm „die Kosten des Erste-Klasse-Flugs vollständig in Rechnung zu stellen“.

Dass Bsirske die Öffentlichkeit via Bild über seine verkrampfte Reue informierte, hat seinen Grund. Schließlich war es das Springer-Blatt, das am Freitag berichtete, dass Bsirske, der Vizeaufsichtsratschef der Lufthansa ist, in Begleitung seiner Frau mit der Airline gratis in der ersten Klasse nach Los Angeles und von dort weiter in die Südsee geflogen sei. Kurz nach dem Flug hatte der Streik begonnen, zu dem Ver.di im Tarifstreit mit der Lufthansa aufgerufen hatte. Mehrere Politiker aus CDU und FDP forderten Bsirske am Wochenende zum Rücktritt auf.

„Das Kontingent an Freiflügen steht allen Aufsichtsratsmitgliedern der Lufthansa AG zu – den Vertretern der Arbeitnehmer und Anteilseigner gleichermaßen“, erklärte Bsirske gestern. Es werde hier aber offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. „Es ist eben nicht dasselbe, wenn zwei das Gleiche tun.“

Allerdings, so ergab eine taz-Umfrage unter führenden deutschen Großkonzernen, ist die großzügige Privilegierung von Aufsichtsräten eher die Ausnahme. So bekommt ein TUI-Aufsichtsrat keine Sondervergünstigung, wenn er seinen Urlaub bei dem Touristikkonzern bucht. Und auch EnBW und RWE liefern keinen Gratisstrom für die Mitglieder des Gremiums. Auf kostenlose neue Autos können Aufsichtsräte ebenfalls nicht hoffen. Brigitte Bertram von Daimler sagte der taz: „Es gibt keine Sachbezüge für die Aufsichtsräte.“ Kauften Aufsichtsräte einen Mercedes, würden „lediglich marktübliche Rabatte gewährt“. Michael Brendel aus der Volkswagen-Pressestelle verweist darauf, dass Aufsichtsräte die Möglichkeit haben, ein Auto des Konzerns zu leasen. „Sie bekommen dabei aber keine Sonderkonditionen.“ Geschäftsleute können die Rate im Rahmen der steuerlichen Gesetzgebung aber absetzen.

Die Deutsche Bahn ist etwas großzügiger. Die Aufsichtsratsmitglieder haben die Wahl: entweder fünf Freifahrten innerhalb Deutschlands in der 1. Klasse oder die Netzkarte 100, die in ganz Deutschland gilt, im Wert von 5.900 Euro in der 1. Klasse. Beides muss aber als geldwerter Vorteil versteuert werden.

Offenbar sind solche Privilegien also Auslaufmodelle. Zu Recht, meint der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. „Alle geldwerten Vorteile für Aufsichtsratsmitglieder müssen abgeschafft werden. Das ist ein Überbleibsel der Pfründeökonomie“, sagte der Leiter des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW) in Bremen. Gewerkschaftsmitglieder in Aufsichtsräten würden ihre Einkünfte zum größten Teil an die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung abgeben.

Entspannter sieht das die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Wir haben grundsätzlich nichts gegen Vergünstigungen jeglicher Art, egal ob sie an die Vertreter der Arbeitnehmer oder des Kapitals gezahlt werden“, sagte Sprecher Marco Cabras der taz. Es sei wichtig, dass ein Aufsichtsrat die Produkte des Unternehmens genau kenne. „Im Falle von Herrn Bsirske ist das ein Flugzeug.“ Allerdings sollten solche Vergünstigungen in Geschäftsberichten transparent gemacht werden.

Mitarbeit: Thomas Gesterkamp

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