: Worte zum Mitschreiben
Hiphop und Metal bildeten die musikalische Sozialisation von Volkan T. Das hört man auf seiner neuen CD „Sprich Deutsch oder stirb“, die eine Antwort auf die nervende Integrationsdebatte gibt. Dass Rapper cool sind, glaubt auch seine Tochter
VON THOMAS WINKLER
Elif ist langweilig. Sehr langweilig. Erstens ist sie heute nicht in der Schule, weil alle Schüler ihrer Schule heute streiken. Zweitens hat sie ihren Nintendo DS vergessen, was wirklich blöd ist. Drittens ist sie acht Jahre alt, und viertens labert ihr Vater gerade ohne Unterlass. Redet ständig von Sachen, die sie nicht kennt. Von „Integrationsdebatte“, von „Sozialkritik“. Oder von „Identifikation“ und einem „Kampf der Kulturen“. Was soll das denn sein?
Dabei dachte sie bisher, ihr Vater sei cool. Weil ihr Vater doch Rapper ist. Und so wie jeder Rapper hat auch ihr Vater als Rapper einen Künstlernamen. Zwar heißt er eigentlich Volkan Türeli, aber als Rapper nennt er sich Volkan T.
Eine CD hat er auch schon gemacht. Die ist vor ein paar Wochen rausgekommen und heißt „Sprich Deutsch oder stirb“. Und deshalb wird er jetzt interviewt. Der Typ, der ihn interviewt, will wissen, was Elifs Vater dazu gebracht hat, der CD diesen Titel zu geben. Der Typ findet den Titel „provokant“. „Mit ist die ganze Integrationsdebatte auf den Nerv gegangen“, antwortet Elifs Vater.
Bei dieser Sache mit der „Integration“ geht es offensichtlich darum, ob bestimmte Leute mit anderen Leuten zusammen leben können. Es gibt da Probleme. Das ist wohl nicht so einfach wie in der Schulklasse von Elif. Das ist so ein wichtiges Thema, dass Elifs Vater sogar schon, erzählt er, „zu Podiumsdiskussionen im Abgeordnetenhaus eingeladen wurde“.
Er hat die härtesten Beats
Das lag auch daran, dass sich Elifs Vater schon einen Namen gemacht hatte, bevor er als Rapper Volkan T. seine erste CD raus brachte. Eigentlich ist er ja nicht aus Berlin, sondern aus Frankfurt am Main, wo er aufgewachsen ist. Da hat er schon als Produzent gearbeitet, hat die Musik für Rapper gemacht. Einer von denen, Killa Hakan heißt der, der hat ihn sehr geprägt. Der hat den Türken in Deutschland als einer der Ersten eine Stimme gegeben. Und dass dieser Killa Hakan nun auf seiner CD mitrappt, das schließt für ihn einen Kreis.
Andererseits aber habe er immer auch in Death-Metal-Bands Musik gemacht. In Bands, die Devil Inside oder Doom Day hießen, hat er Bass gespielt. Das kam daher, sagt er, dass bei den Türelis zu Hause zwar viel orientalische Popmusik lief, auf seiner allerersten Kassette in seinem allerersten Walkman aber lauter Neue-Deutsche-Welle-Sachen, Spliff, Falco oder Trio, waren. Gefallen hat ihm beides. Und so ging das später weiter im Jugendzentrum, in dem er sich herumgetrieben hat: Die Türkenkids haben Hiphop gehört und die deutschen Kids eben Metal. Das war, sagt Elifs Vater, seine „musikalische Sozialisation“.
Heute ist er 35 Jahre alt, hat studiert und schreibt gerade an seiner Magisterarbeit zum Thema „Rechte Tendenzen im Death und Black Metal“, aber diese frühe Sozialisation, die ist ihm immer noch wichtig. Die kann man auch auf dem Album hören, sagt der Interviewertyp. Das wäre, meint der, zwar Hiphop, aber eben mit Einflüssen aus arabischem Pop, Punk und sogar Metal. Elifs Vater findet das auch: „Ich habe die härtesten Beats.“ Und außerdem hätte er auch „harte Texte, aber ohne Schwule zu beleidigen oder Frauen zu diskriminieren“.
Denn ein Gangsta-Rapper, sagt Elifs Vater, ist er nun mal nicht. Aber Berliner Härte, das sei er schon. Das würden zwar auch Bushido oder Sido von sich behaupten, aber eigentlich würde er die viel härtere Musik machen, weil seine Texte wirklich „authentisch von der Straße“ handeln würden. Damit meint er genau die Straßen, auf denen Elif jeden Tag, außer heute, zur Schule geht.
Eine Website ohne Adresse
Aber trotzdem beeindruckt das den Interviewertypen jetzt sichtlich. Elifs Vater sagt dann noch mehr. Sachen wie „Ich bin der König des Hardcore-Hiphop“. Der Typ schreibt ganz begeistert mit. Aber Elif weiß, dass ihr Vater das nicht so wahnsinnig ernst meint, sondern dass er denkt, er muss so etwas sagen, weil man es von einem Rapper erwartet.
Aber Elif langweilt sich immer noch. Also dreht sie sich im Kreis auf dem Schlagzeugschemel. Bis die Wände des schmuddeligen Übungsraums, in dem ihr Vater seine Musik einspielt und heute Fragen beantwortet, langsam zerfließen. Doch bevor ihr schlecht wird, hält ihr Vater den rotierenden Schemel an.
Dann wirft er ihr einen bösen Blick zu. Der soll wohl sagen, dass es hier Wichtiges zu bereden gibt. „Deutscher und Türke zu sein, das ist für mich kein Widerspruch“, sagt er dann. Und dass er da auch nichts miteinander versöhnen muss. „Das ist Normalität, das ist meine Kultur.“ Schließlich macht er neben der Rapperei als Volkan T. momentan auch noch ein Rockprojekt, das Asian Orange heißt. Da spielen Türken, Inder und einer aus Afghanistan. Aber die wohnen momentan alle in England, Kanada, Amerika oder Deutschland.
Elif wohnt in Kreuzberg. Dort ist auch das Büro ihres Vaters, aus dem der eine kleine Plattenfirma betreibt. Jetzt erzählt er, dass er die Adresse von seinem Büro nicht mehr auf die Website von diesem Label schreibt. Sonst käme womöglich noch mal jemand vorbei, der beweisen müsste, dass er ein Harter ist. Oder jedenfalls härter als ihr Vater. Das käme immer mal wieder vor. Aber darauf hat er keine Lust. Das Leben als Rapper ist also doch gefährlich. Auch wenn man kein Gangsta-Rapper ist. Oder vielleicht ja gerade deswegen.
Endlich sind die beiden fertig. Elifs Vater schließt den Übungsraum wieder ab. Die Luft auf der Straße ist klar und warm. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden Kampfhunde ausgeführt. Elif muss jetzt in die Musikschule. Zum Saxofonunterricht. Der Typ will wissen, ob das denn Spaß macht. Elif antwortet fröhlich: „Ich übe nie.“
Volkan T.: „Sprich Deutsch oder stirb“ (Ruffmix/Soulfood)