berliner szenen Dreißig Prozent

Kaffee mit Dosenmilch

Regen mag ich nicht besonders, jedenfalls wenn ich draußen bin. Heute regnet es, nicht ständig, ohne Überschwemmung, aber stärker als nötig. Am Alex stelle ich mich unter. Das Haus und der Vorsprung sind hässlich, grauer Putz, menschenabweisende Fassade. Ich überlege, ob ich doch lieber weiterfahre. Neben mir ist ein Café, ein paar Tische stehen draußen, davor ein kleiner Orangenbaum. Der Regen weht über die Straße, aus dem Café kommt der Besitzer und läuft mit dem Blumentopf an den Straßenrand, damit wenigstens die Pflanze etwas vom Regen hat. Er sieht mich, grinst, hebt den Daumen. Ich grinse auch. Er will wissen, ob ich aus dem Haus bin. Als ich ihm verrate, worauf ich warte, sagt er: „Komm rein, trink einen Kaffee, ich spendier!“

Drinnen ist es eng, auf den Borden an den Wänden stehen lustige Kitschdinge, Schnitzfiguren, dekorierte Grablichter. Ich betrachte das Gebäck hinter dem Tresen und bekomme Appetit. Das ist dem Besitzer etwas unangenehm, der Kaffee ist schließlich ein Geschenk. Wir einigen uns, dass ich nur das Gebäck zahle. Er fragt, ob ich Deutscher bin. Er sei Türke, sein Deutsch nicht hundert Prozent. „Dreißig Prozent“, schätzt er. Das finde ich untertrieben. Er stellt mir den Kaffee hin, legt Dosenmilch dazu. Bevor ich ihn nach heiklen Dingen wie Fußball fragen kann, kommt eine Gruppe von Touristen herein. Der Raum ist jetzt voll, die Touristen füllen ihn mit ihrem Gespräch. Der Kaffee schmeckt gut, obwohl ich Filterkaffee nicht mag, das Gebäck ist auch in Ordnung. Draußen lässt der Regen langsam nach, der Orangenbaum hat genug Wasser bekommen. Zum Abschied sagt mir der Besitzer seinen Namen. Er heißt Taksim. Ich fahre los, es fängt wieder heftig an zu regnen.

TIM CASPAR BOEHME