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Archiv-Artikel

Duell mit Traumgestalten

Am Sonntag steht der erste olympische Höhepunkt an: das Basketballspiel zwischen China und den USA. Die bei den Gastgebern vergötterten US-Stars wollen dieses Mal nicht an ihrer Hybris scheitern

AUS PEKING MARKUS VÖLKER

300 Millionen Fans der Korbjagd warten in China auf dieses Spiel. Es ist der erste Höhepunkt der Olympischen Spiele. Angekündigt wird ein rekordverdächtiges Basketballspiel: Es soll das Match mit den weltweit meisten Zuschauern werden. China trifft am Sonntag auf die USA. Es gilt als ausgemachte Sache, dass die amerikanischen Profis unter den Augen ihres Präsidenten George W. Bush ihr erstes Spiel auf dem Weg zu olympischem Gold gewinnen. Sie nennen sich nach schmachvollen Niederlagen in der Vergangenheit nicht mehr „Dream Team“. Jetzt bezeichnen sie sich als „Redeem Team“, weil sie etwas gutzumachen haben. Für die chinesischen Fans aber sind sie noch immer Traumgestalten aus einer fernen Welt. Sie himmeln sie an, vergöttern die Stars der New Jersey Nets, Boston Celtics und Houston Rockets, nicht zuletzt weil Basketball der Mannschaftssport Nummer eins ist in China. Als die Amis am vergangenen Mittwoch auf dem Flughafen von Peking ankamen, da wurden sie von Dutzenden Anhängern empfangen, die „Kou Be Er!“ riefen – gemeint war Kobe Bryant, der Most Valuable Player, also der wertvollste Spieler, der National Basketball Association (NBA) in dieser Saison.

Der chinesische Markt ist in Fragen des Basketballs längst erschlossen. Im Jahr 2000 wurden die ersten chinesischen Spieler über den großen Teich geschickt: Wang Zhizhi und Menk Bateer. 2002 folgte Yao Ming. Der 2,26 Meter große Center der Houston Rockets bringt es im Land der Mitte zu einer überwältigenden Popularität. Er ist in Werbespots von Coca-Cola, Visa und China Life, einer Versicherung, zu sehen und hat im vergangenen Jahr laut Forbes 56,6 Millionen Dollar verdient. Yao Ming hat wie auch schon 2004 in Athen die Fahne während der Eröffnungsfeier getragen. Staatsratschef Wen Jiabao schmückt sich gern mit dem Riesen aus Schanghai und bekundet seine große Basketballleidenschaft. Den chinesischen Basketballern wünschte Wen viel Glück, sie sollten dem Land keine Schande machen, doch werde er ihnen eine Niederlage gegen den Favoriten verzeihen.

Lange Zeit war fraglich, ob Yao Ming überhaupt antreten würde. Wegen eines Ermüdungsbruchs im Februar hat er erst Mitte Juli wieder unter Wettkampfbedingungen Basketball gespielt. Falls er nicht fit sein sollte, muss NBA-Kollege Yi Jianlian, der vor kurzem erst zu den New Jersey Nets wechselte, die Verantwortung übernehmen. In der vergangenen Spielzeit hat Yi 8,6 Punkte pro Spiel erzielt und 5,2 Rebounds, Abpraller vom Korb, geholt – das sind mäßige Werte. Allgemein wird damit gerechnet, dass es die Chinesen schwer haben dürften, sich in der Vorrundengruppe gegen die USA, Spanien, Griechenland, Deutschland und Angola durchzusetzen. Die Erwartungen an das Team sind freilich riesengroß.

Das „Redeem Team“ ist in erster Linie sich selbst verpflichtet. Bei den letzten Olympischen Spielen wurde das Team von Coach Larry Brown nur Dritter. Seit 1992, dem ersten Auftritt des Dream Teams mit Stars wie Charles Barkley, Michael Jordan und Scottie Pippen, hatte sich die Auffassung durchgesetzt, man brauche nur ein paar Topspieler zusammenzuwürfeln, dann würde es schon klappen mit der Goldmedaille. Doch der europäische und der südamerikanische Basketball waren längst konkurrenzfähig. Vor der physischen Dominanz und der Abwehrstärke von Teams wie Spanien, Griechenland oder Argentinien mussten die Amerikaner in den vergangenen Jahren bisweilen kapitulieren. Mit Trash Talk und Hybris ließ sich kein Gegner mehr einschüchtern. Es musste sich also etwas tun, um zu alter Stärke zurückzukehren.

Vor drei Jahren machte sich Jerry Colangelo, Präsident der Phoenix Suns, daran. Er wurde zum Sportdirektor des US-Basketballs ernannt. Seine erste Amtshandlung: Er berief Mike Krzyzewski zum Coach. Krzyzewski hat das Kunststück fertiggebracht, die Duke University dreimal hintereinander zur besten amerikanischen College-Mannschaft zu formen. Er sagt: „Viel zu lang haben wir gesagt, Basketball wäre einzig und allein unser Spiel, aber es gehört auch dem Rest der Welt. Man kann nicht arrogant sein und gewinnen.“ Er versuchte, systematisch zu arbeiten, und gab dem Team nicht nur 20 Tage Vorbereitungszeit wie 2004, sondern jetzt – mit Unterbrechungen – 89 Tage. Bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren verlor Kryzewskis Team zwar noch im Halbfinale gegen Griechenland, doch seitdem ist es ungeschlagen.

Das „Redeem Team“ ist gespickt mit Stars wie LeBron James, Bryant und Dwayne Wade, doch die Spieler versichern einmütig, eine verschworene Truppe zu sein. Sie wollen nicht selbstsüchtig agieren, sondern mannschaftsdienlich spielen. „Wir haben etwas zu beweisen“, sagt Wade. Und James sagt: „2004 – das war kein Team, aber wir sind eines.“ Es gilt, eine Schmach zu tilgen.