Spielen in der Holzklasse

8.500 Zuschauer auf den Stehwällen, Zusatztribünen und der 1921 erbauten Holztribüne: Im DFB-Pokal spielte der VfB Stuttgart gegen den FC Hansa Lüneburg – und gegen den Acker

VON ROGER REPPLINGER

Kluge Profi-Fußballer wissen, dass es sie nur gibt, weil es die Amateure gibt. Amateure, die vier Mal in der Woche trainieren, keine Balljungs haben, aber Laub auf dem Platz. Wo die Spinnen an den Kassenhäuschen Netzte bauen, es keine Whirlpools gibt, sondern vier Duschköpfe pro Mannschaft. Das ist die Basis für die Nationalmannschaft, die Bundesliga, den Profifußball, die Ablösesummen, die Gehälter der Spieler, Trainer, auch die der Journalisten. Das ist die Basis für die Show, das Fernsehen, den ganzen Bohai.

„Bitte die Toilettenwagen benutzen, die haben wir extra rund um den Platz in großer Zahl aufgestellt. Nicht in die Übertragungswagen pinkeln“, sagte der Stadionsprecher kurz vor Spielbeginn am vergangenen Sonntag. Der Bundesligist VfB Stuttgart spielte da in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals gegen den Oberligisten FC Hansa Lüneburg im Stadion am Wilschenbruch. 8.500 Zuschauer auf den Stehwällen, Zusatztribünen und der 1921 erbauten Holztribüne.

Ohne Spieler wie Michael Hopp geht nichts. Torwart, Sport- und Fitness-Kaufmann, der bis zur C-Jugend in den nationalen Auswahlmannschaften stand. Hopp lieferte gegen den VfB ein prima Spiel. Bis auf das zweite Tor, da springt der Ball blöd auf. Sein Gegenüber Jens Lehmann fragte auf dem Weg in die Kabine: „Was war denn da los?“ Hopp hat es ihm dann erklärt. Mit einer Platzunebenheit, verursacht durch vor dem Spiel übers Grün getuckerte Harleys.

Der VfB gewann, ohne je in Gefahr zu kommen mit 5:0 (2:0). Die Lüneburger hatte keine einzige Torchance, sie verteidigten mit einer Viererkette plus Libero. Es war einseitig, auf und neben dem Platz. Die 600 VfB-Fans hatten das Stadion am Wilschenbruch so fest im Griff, wie die VfB-Spieler ihre Gegenspieler. Nur als Thomas Hitzlsperger zur Ecke schritt, rief einer der Hansa-Fans: „Aber nicht zum Gomez.“ Darauf musste Hitzlsperger seine Eckball-Vorbereitungen abbrechen, bis er mit Lachen fertig war.

Gomez verbaselte in der ersten Halbzeit eine Menge klarer Chancen. Schoss mal drüber und auch mal Hopp ab, so dass Lüneburgs Zuschauer schon „Gomez für Helgoland“ riefen. Traf dann in der zweiten Halbzeit doch noch zwei Mal. Martin Lanig hatte den VfB per Kopfball in Führung gebracht (10.). Roberto Hilpert erzielte aus 30 Metern das 2:0 (26.), Gomez machte die nächsten beiden Treffer (58., 78.) und Innenverteidiger André Berger sorgte durch ein Eigentor für den Endstand (83.).

Immerhin: 90.000 Euro bekommt Hansa durch die TV-Übertragung, 50.000 Euro, so eine Schätzung, bleiben von den Zuschauereinnahmen. Das tut gut. Unerwartete Schwierigkeiten hatte dagegen VfB-Präsident Erwin Staudt. Der wollte in der Halbzeit in die Kabine des VfB, wurde jedoch von pflichtbewussten Ordnern daran gehindert: „Da kommt nicht jeder rein.“ Staudt: „Ich schon.“ Der Ordner: „Sie ham keine Akkreditierung.“ Staudt: „Ich bin der Präsident des VfB.“ Der Ordner: „Das kann jeder behaupten.“ An dieser Stelle überzeugten beherzte Zuschauer den Ordner, dass Staudt kein Hochstapler ist.

Vielleicht hoffte Lüneburgs Trainer Ralf Sievers deshalb am Ende, „dass wir uns den Respekt des VfB erarbeitet haben“.