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Archiv-Artikel

Globalisierung in Wilmersdorf

Weinhändler Günter Bruhn kritisiert die Internationalisierung des Geschmacks und kann sich ihr doch nicht ganz entziehen. Teil 4 der taz-Serie über Berliner Weinläden

Einen der interessantesten Weine sieht man erst, wenn man den Laden von Günter Bruhn schon fast wieder verlassen hat. Gleich neben dem Ausgang, ganz oben im Regal, steht ein Portwein aus dem Jahre 2001. Der Erzeuger, der Niederländer Dirk van der Niepoort, gilt nicht nur als einer der Revolutionäre der portugiesischen Weinwelt. Zugleich setzt er sich für den Erhalt der vom Verfall bedrohten Weinberge am Douro ein. Weinberge, die so steil sind wie die an der Mosel und einen Portwein möglich machen, der nach getrockneten Pflaumen duftet und einen ellenlangen Abgang hat. In fünf bis zehn Jahren dürfte er süchtig machen.

Niepoort ist für Günter Bruhn ein positives Beispiel für die Globalisierung der Weinwelt. Eines der wenigen. Ansonsten fallen dem Wilmersdorfer Weinhändler in Sekundenschnelle immer neue negative ein. Beispiele wie die der italienischen Traditionsunternehmen Antinori oder Banfi, die sich billig in Süditalien einkauften und dort nun Weine nach amerikanischem Vorbild machen. Weine, die Bruhn als Marmeladenweine bezeichnet: „Sie stehen für die Infantilisierung des Geschmacks. Es sind Fruchtbomben, alkoholreich, schnell sättigend, langweilig.“

Eigentlich würde der 59-jährige Bruhn nun gern zu einer grundsätzlichen Kritik des Kapitalismus ansetzen. Belässt es dann aber doch bei einem weiteren Beispiel. Erzählt von Russen, Chinesen und Indern, die so viel Champagner aufkaufen, dass für Europa nichts mehr übrigbleibt. Weshalb die Winzer in der Champagne jetzt ihr Anbaugebiet ausdehnten – auf weniger gute Böden.

Bruhn muss aber auch zugeben, dass die Globalisierung vor seiner eigenen Weinhandlung in der Güntzelstraße nicht Halt gemacht hat. Die Weine des sizilianischen Großproduzenten Cusumano etwa entsprächen genau dem, was derzeit weltweit in sei. Und daher „muss ich sie anbieten“. Er selbst trinkt da schon lieber einen Riesling von Bassermann-Jordan aus der Pfalz. Wie für so viele Berliner Weinhändler ist auch für Bruhn der Riesling der absolute Lieblingswein.

Und wie so viele Berliner Weinhändler ist auch Bruhn ein Quereinsteiger. Eigentlich wollte er Lehrer für Deutsch und Geschichte werden, doch Anfang der 80er gab es in Berlin einen Stellenstopp und so arbeitete Bruhn an mehreren Forschungsprojekten für den Senat. 1990 entstand dann die Weinhandlung, zunächst mit nur 200 Flaschen auf rund 40 Quadratmetern. Viel größer ist der Verkaufsraum auch heute nicht, inzwischen gibt es jedoch doppelt so viele Weine. Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal. Ein eindeutiger Schwerpunkt findet sich nicht.

Allerdings gibt es besonders bevorzugte Weingüter und Winzer. Dazu gehören Reinhold und Cornelia Schneider aus Endingen am Kaiserstuhl, deren 2006er Weißburgunder Spätlese cremig und säurebetont zugleich ist. Oder die Weine der Villae Lanata. Zwar scheint „lo Zoccolaio“, ein Barbera aus Alba, mit seinen 14 Prozent Alkohol zunächst nicht viel mehr als ein Muskelprotz zu sein. Doch im Unterschied zu so vielen „Marmeladenweinen“ ist er facettenreich und durch eine frische Säure gut ausbalanciert.

Und so ist Bruhn schon wieder bei seinem Thema. Wobei der Historiker natürlich weiß, dass es auch in früheren Jahrhunderten Probleme mit der Internationalisierung der Weinwelt gab. Als etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Nachfrage nach Champagner deutlich anstieg, lockerte man dort die Herstellungsregeln. Jeder europäische Schaumwein, der drei Monate in der Champagne gelagert wurde, durfte als Champagner verkauft werden. Zumindest das ist heute nicht mehr erlaubt.

SABINE HERRE

Der Weinladen: Weinhandlung Bruhn, Güntzelstraße 46, 10717 Berlin, U-Bahnhof Güntzelstraße, Telefon: (0 30) 873 90 08, Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 10–19 Uhr, Sa. 9–14 Uhr

Das besondere Angebot: Bruhn führt eine große Auswahl an Sekt und Champagner, darunter allein sieben Rosé zwischen 5,60 und 28 Euro. Breit ist auch das Angebot an Hochprozentigem – darunter ein Brand aus dem raren Roten Weinbergpfirsich von Hubertus Vallendar aus Kail an der Mosel.

Der Weintipp von Günter Bruhn: Ramón Bilbao Edicion Limitada 2005, Tempranillo, Rioja, 13,90 Euro. „Der Wein hat eine dunkle kirschrote Farbe und duftet nach dunklen Beeren und etwas Vanille. Der Ramón ist vollmundig, aber auch komplex und daher eben kein Marmeladenwein. Besonders gut passt er zu gegrilltem Entrecote.“

Und nächsten Dienstag: Enoteca Blanck & Weber, Wilmersdorf