Es hat sich ausgewunden

Kommendes Jahr beginnt der Ausbau der niedersächsischen Mittelweser für die neue Binnenschiff-Klasse – vor allem die vielen Kurven sollen auseinander gezogen werden. Zusammen mit dem Bund ist Bremen der Finanzier des Unternehmens

VON HENNING BLEYL

„Eine schwierige Frage“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Bremer Grünen, ihr für Hafenpolitik zuständiger Fraktionskollege Frank Willmann hingegen bekennt sich klar zum Ausbau der Mittelweser: Kommenden Frühling beginnt er, bis 2012 sollen zwischen Bremen und dem niedersächsischen Landesbergen zweieinhalb Millionen Kubikmeter Boden zu Gunsten der Binnenschifffahrt bewegt werden.

Nicht nur die ökologische Einschätzung des Projektes, auch dessen ökonomischen Dimensionen scheinen noch nicht ganz klar: Beim Wasser- und Schifffahrtsamt Verden, Träger der Maßnahme, werden nach wie vor die Zahlen genannt, mit denen schon Anfang der 90er Jahre geplant worden war: 53 Millionen Euro Gesamtkosten, die zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von Bremen getragen werden.

Intern ist klar, dass der tatsächliche Kostenrahmen erheblich nach oben abweichen wird. Der aktuelle Projekthaushalt, der eigentlich schon fertig gestellt sein sollte, ist immer noch in Arbeit – wobei sicher auch eine Rolle spielt, dass sich Niedersachsen bislang nur in Form von Kompensationsflächen beteiligt: mangels eigenem größeren Hafens sei die Mittelweser für Niedersachsen schließlich nur ein Transit-Fluss, hieß es bisher – jetzt aber soll Nienburg als „trimodularer Güterumschlagplatz“, also auch mit Wasseranbindung, ausgebaut werden.

Während sich neuerdings auch die Bremer Handelskammer für die Binnenschifffahrt begeistert – das Land ist bundesweit achtgrößter Binnenschiff-Umschlagplatz – sehen niedersächsische Umweltschützer diese Art der Verkehrsförderung „sehr kritisch“: Manfred Schliestedt vom Nienburger BUND kritisiert vor allem die mit der geplanten Uferrückverlegung einhergehenden „Auen-Zerstörungen“ – im übrigen sei die Maßnahme auch ökonomisch überflüssig (siehe unten stehendes Interview).

Während die ersten 50 Kilometer der Mittelweser zwischen Minden und Landesbergen in den 90ern noch für die 85 Meter lange „Europaschiff“-Klasse ausgebaut wurden, geht es jetzt um die durchgängige Vertiefung der Fahrrinne auf 2,80 Meter – soviel braucht das neue Großmotorgüterschiff (GMS) selbst im „teilabgeladenen“ Zustand. Die größten Eingriffe sind jedoch zur Streckung der Flusswindungen geplant: Um die Weser an die Kurvenradien der 120 Meter langen GMS-Klasse anzupassen, sind insgesamt 19 Uferrückverlegungen um jeweils bis zu 73 Meter notwendig .

Warum langt es nicht, wenn die Weser weiter vom „Europaschiff“ befahren wird? Erst durch den Einsatz der GMS werde der Binnenverkehr wirklich rentabel, sagt der grüne Hafenpolitiker Willmann. Hintergrund sei unter anderem, dass die „Europaschiffe“ mittlerweile zu niedrig für die modernen Hafenkaje sind. Die Folge: eine dreimal längere Beladungsdauer als bei den GMS, deren Reling nicht unter der Kajenkante verschwindet.

Dieser Logik der wechselseitigen technischen Normerhöhung kann der BUND freilich wenig abgewinnen. Schon Mitte der 90er startete er eine Kampagne mit dem Motto: „Schiffe müssen sich den Flüssen anpassen, nicht umgekehrt.“ Ausbau-Projektleiter Hermann Schrage verweist diesbezüglich auf den Verzicht auf Steilufer, „naturnahen Uferausbau“ und die Anlage zweier Biotopflächen – und betont, dass es sich keineswegs um einen Vollausbau des Flusses handele.

In der Tat wurde auf eine vollständige „Zweispurigkeit“ verzichtet, an sieben Stellen der 96 „anzupassenden“ Flusskilometer werden die Kapitäne nach wie vor nicht aneinander vorbei können. Um sich per Funk abzustimmen, soll – ein Novum für die deutsche Binnenschifffahrt – erstmals das „AIS“, eine Art GPS-System, zum Einsatz kommen.