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Archiv-Artikel

Messerstich-Vorwurf weiter ungeklärt

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die bei einer Oldenburger Demo verletzte Sanitäterin wegen „Vortäuschung einer Straftat“. Unterdessen widerspricht das Innenministerium der Polizei: Diese habe Messer im Einsatz

Vier Wochen nach den Messerstich-Vorwürfen gegen die Oldenburger Polizei setzt diese sich zur Wehr. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde ein Ermittlungsverfahren wegen „Vortäuschung einer Straftat“ gegen die bei einer Anti-Nazi-Demo am 5. Juli verletzte Demo-Sanitäterin eingeleitet.

Nachdem es an jenem Tag in der Oldenburger Innenstadt zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Antifas gekommen war, hatten zwei Demonstranten – darunter die Sanitäterin – der Polizei vorgeworfen, sie bei Rangeleien mit Messern verletzt zu haben.

Die Sanitäterin hatte einen Schnitt im Brustbereich davongetragen. Weil dies in einer Situation geschehen sei, in der sie „von Polizisten umringt war“, erstattete sie Anzeige wegen „gefährlicher Körperverletzung im Amt“ gegen die Polizei. Ein Messer in der Hand eines Polizisten hat sie jedoch nicht gesehen – nur „eine Klinge aufblitzen“.

Ein Pathologe des Instituts für Rechtsmedizin am Klinikum Bremen-Mitte hat ihre Wunde am 7. Juli untersucht und fotografiert. Auf Anfrage teilte das Institut jedoch mit, die Polizei habe untersagt, Auskünfte über das Untersuchungsergebnis zu erteilen.

Die aus Bremen stammende Sanitäterin gibt an, die Verletzung während der Demo zunächst selbst versorgt zu haben. Kurz danach stürzte sie bei einer weiteren Rangelei auf das Pflaster, fiel in Ohnmacht und wurde in ein Oldenburger Krankenhaus eingeliefert. Zwei Tage später wurde sie auf eigenen Wunsch entlassen. Sie fuhr zurück nach Bremen. Am Nachmittag dieses Tages, so ihre Schilderung, begann die Wunde stark zu bluten, so dass sie sich in die Notaufnahme der St.-Jürgen Klinik begab. Erst hier machte sie gegenüber von Rettungsassistenten hinzugerufenen Polizisten Angaben über die Herkunft der Verletzung – und belastete damit die Oldenburger Demo-Einsatzkräfte.

Wegen der verstrichenen Zeit zweifeln die Ermittlungsbehörden an ihrer Version. Sie glauben, dass die Wunde anders entstanden sei. „Die Ermittlungen laufen“, sagte ein Sprecher der Oldenburger Staatsanwaltschaft. Aus Gründen der Neutralität sei der Fall an die Polizeiinspektion Diepholz abgegeben worden.

Für den Anwalt der Sanitäterin, den Oldenburger Linkspartei-Abgeordneten Hans-Henning Adler, ist das Ermittlungsverfahren „nicht überraschend“. Er ist sich sicher, dass dabei „nichts herauskommt“, die Schilderung seiner Mandantin sei „keine ausgedachte Geschichte“. Gestützt werde diese Version laut Adler durch die Aussage des zweiten verletzten Demonstranten. Dieser habe sich in der Zwischenzeit bei ihm gemeldet und eine „glaubwürdige Aussage“ gemacht. Demnach habe er mit anderen Demonstranten einer Reihe von Polizeibeamten gegenüber gestanden und gesehen, wie ein Polizist ein Messer aus einer Tasche am Oberschenkel gezogen habe. Dabei seien ihm die zwei Schnitte am Oberarm zugefügt worden. Eine Anzeige hat der Mann bisher allerdings nicht erstattet.

Kurz nach der Demo hatte ein Oldenburger Polizeisprecher sich mit den Worten „Wir haben gar keine Messer“ zu den Anschuldigungen geäußert. Kurz darauf hatte ein anderer Polizeisprecher dies auf taz-Anfrage wiederholt. Am Freitag widersprach ihnen allerdings das niedersächsische Innenministerium: „Die Beweissicherungs-Einheiten sind standardmäßig mit einem kleinen Taschenmesser ausgestattet,“ sagte Ministeriumssprecher Klaus Engemann zur taz. Überdies verfügten die Beamten noch über einen so genannten „Handfesselschneider“ zum Durchtrennen der als Einmalhandschellen häufig eingesetzten Plastik-Kabelbinder. Christian Jakob