anschlag auf denkmal
: Aufklärung statt Sicherheitsleute

Wer auch immer das Denkmal für die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen beschädigt hat – er hat den besten Beweis dafür geliefert, warum das erst vor zweieinhalb Monaten am Rande des Tiergartens eingeweihte Denkmal notwendig ist. Beschädigt wurde in der Nacht zum Samstag das Guckfenster in dem knapp vier Meter hohen Betonklotz, durch das in einer Video-Endlosschleife eine kurze Szene von zwei sich küssenden Männern zu sehen ist. Dass diese Darstellung auch heute noch jemanden provoziert – das zeigt, wie dringend es dieses Denkmal braucht. Es zeigt, dass das Denkmal genau ins Schwarze trifft.

KOMMENTAR VON SEBASTIAN HEISER

Mehr Schutz für das Denkmal, wie es der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, fordert, ist jedoch der falsche Weg. Denn der Anschlag ist Ausdruck unserer offenen und darum stets anfälligen Gesellschaft. Dass es solche Attacken gibt, ist nichts Neues: Auch das Holocaust-Mahnmal musste erleben, dass dort schon in den ersten Wochen nach der Eröffnung mehrere Hakenkreuzschmierereien gefunden wurden, dass Graffiti-Sprüher ihre Spuren hinterlassen haben und Besucher dort von Stele zu Stele springen.

Dieser bisher erste Anschlag auf das Denkmal, das das in Berlin lebende dänisch-norwegischen Künstlerduo Michael Elmgreen und Ingar Dragset entworfen hat, zeigt unserer Gesellschaft, dass sie ein Problem hat. Es ist besser, dass dies alle mitbekommen, als wenn das Problem unter der Decke bleibt, verschwiegen wird und irgendwann plötzlich eruptiv ausbricht. Nur dann, wenn das Problem bekannt ist, kann es die darüber notwendige Debatte geben.

Und so ist der Anschlag ein Anlass, sich die Frage zu stellen: Wie erreicht man die Menschen am besten, die in unserer offenen Gesellschaft leben, die aber Lesben und Schwule hassen? Wie kann man sie überzeugen? Sicher gelingt das nur durch Aufklärung und Diskussion – und ganz sicher nicht durch zusätzliche Sicherheitsleute vor einem Denkmal.