: On the road again
In Europa unterwegs: Das ist ein Traum von Unabhängigkeit, dem das amerikanische Duo The Bright Blue Gorillas folgt. Mit einem Folkkonzert und einem Film tritt das romantische Musikerpaar heute im Freiluftkino Kreuzberg auf
Sie sagen über sich, wir sehen aus wie Hippies. Robyn Rosenkrantz und Michael Glover sind Vegetarier, meditieren, praktizieren Yoga und fahren regelmäßig nach Indien. Allerdings gleicht ihre Arbeitsweise als Künstlerpaar eher der Punk-Attitüde des Do-it-yourself. Als Bright Blue Gorilla – der Name deutet auf einen Schuss Humor und Selbstironie und wurde durch den Film „Gorillas im Nebel“ inspiriert – produzieren sie unabhängig von Vertrieben und im Selbstverlag seit Anfang der 1990er-Jahre ihre Folk-Alben und seit 2005 Filme, die Glover als „subversive Komödien“ bezeichnet.
Ihre CDs und DVDs sind bislang nur auf ihren Konzerten und im Internet erhältlich. Am heutigen Mittwoch zeigen BBG ihren aktuellen Film „The Mind of Henry Lime“ im Freiluftkino Kreuzberg in Verbindung mit einem Live-Konzert.
Der Film spielt in Los Angeles, wo der Handelsvertreter Lime Sicherheitszäune an die Reichen in Beverly Hills verkauft. Er leidet unter chronischer Schlaflosigkeit. Eines Nachts sieht er im Fernsehen Werbung für das Schlafmittel Lazarin, zu dessen Nebenwirkungen auch das Auftreten von Halluzinationen zählt. Diese stellen sich dann prompt ein, als er das Medikament zu sich nimmt. Sein Leben und sein Haus werden plötzlich bevölkert von Personen, die für andere unsichtbar sind und mit denen nur Lime in Kontakt treten kann.
Der Film ist eine bitterböse, schwarze Komödie über die Pharmaindustrie, korrumpierbare Ärzte und den amerikanischen Way of Life. Drehbuch, Regie und Schnitt stammen allesamt aus der Hand von Glover, während Rosenkrantz für die Produktion zuständig ist. Beide übernahmen neben anderen Schauspielern auch Rollen in dem Film und schrieben ebenfalls die Musik. „Das Medium Film enthält jede Form von Kunst: Theater, Tanz, Visuelles, Musik“, so erklären Bright Blue Gorilla die Kombination von Film und Musik in ihrem Schaffen. Und Robyn fügt hinzu: „Der Kontakt zum Publikum ist viel persönlicher, wenn der Film zusammen mit einem Konzertauftritt läuft.“ Wer würde ihm da widersprechen wollen?
Ihre lockeren Folk-Rock-Songs erinnern ein wenig an die frühen Timbuk 3 der 1980er-Jahre, damals übrigens ein weiteres Musikerpaar. Aber BBG wollen gerade nicht in Schubladen gesteckt werden. Neben akustischen Gitarren, Bass, Percussion und den „Drum-Feet“, eine mit dem Fuß zu bedienende Schlagzeugvariation, die das gleichzeitige Spielen von Gitarre oder Bass erlaubt, ist vor allem ihr Harmoniegesang charakteristisch. Die Texte sind politisch, kritisch und enthalten pointierte Beobachtungen über gesellschaftliche Entwicklungen oder Skurrilitäten des Alltags.
Auf ihren vielen Reisen durch die Städte Europas und in Zügen, sammeln sie genügend Stoff für ihre Filme und Musik. Kennen lernten sie sich in einem Club in Los Angeles; daraufhin beschlossen sie spontan, ihre Jobs aufzugeben und nicht länger darauf zu warten, in den USA einen Plattenvertrag zu bekommen. Robyn hatte bereits in Bands gespielt, unter anderem mit der Tochter des The-Who-Schlagzeugers Keith Moon, und war Straßenmusikerin in Venice Beach, L. A. Michael war Drummer bei den Philisteens aus New Mexico, die als Vorgruppe der Ramones auftraten, und übte sich als Stückeschreiber für das Theater.
Dann verkauften sie alles bis auf ihre Instrumente und sind seitdem unter dem Namen Bright Blue Gorilla mit zwei Koffern unterwegs: Zunächst in den Niederlanden, in Italien und jetzt in Berlin, wo sie 2007 den ersten Preis des von McKinley Black initiierten Singer/Songwriter-Wettbewerbs Troubadour gewannen. In Berlin stellen sie zurzeit ihren dritten Film „Karate Film Café“ fertig. Europa bleibt für sie ein romantischer Traum eines Lebens „on the road“.
CLAUDIA FUNKE
Mittwoch, 20. August, Freiluftkino Kreuzberg: 20.30 Uhr, Bright Blue Gorilla Concert, 21.15 Uhr, Film: „The Mind of Henry Lime“ www.brightbluegorilla.com