: Tränen beim stärksten Mann der Welt
Nach 16 Jahren des Wartens: Der Niederösterreicher Matthias Steiner holt Gewichtheben-Gold – für Deutschland
BERLIN dpa/taz ■ Textsicher singt Matthias Steiner die deutsche Hymne mit. Der Gewichtheber hat eine Goldmedaille um seinen Hals baumeln. Letztes Jahr wäre zu diesem Anlass noch die österreichische Hymne erklungen. Erst Anfang 2008 hatte Steiner die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dienstag bescherte er dem deutschen Gewichtheben den größten Erfolg seit 16 Jahren. Steiner stemmte 461 Kilogramm. Das waren am Ende 1 Kilo mehr als der Russe Jewgeni Tschigischew und 13 Kilo Vorsprung auf Viktors Scerbatihs aus Lettland.
Der für den Chemnitzer AC antretende Steiner hatte Scerbatihs bei den Europameisterschaften im April noch den Vortritt gewähren müssen. Doch diesmal lief alles anders. Erfolgreicher. Im Reißen verbesserte Steiner seine persönliche Bestleistung auf 203 Kilogramm. Dennoch hatte zu dem Zeitpunkt Jewgeni Tschigischew die Führung inne. 7 Kilogramm mehr hatte der Russe geschafft. Im Stoßen musste der in Leimen trainierende Steiner aufholen. Doch der erste Versuch über 246 Kilogramm scheiterte. Steiner kam nicht aus der Beuge in den Stand, die Stange mit den schweren Gewichten fiel zu Boden. Im letzten Anlauf ließ Steiner deshalb 258 Kilogramm auflegen – und stemmte sie in die Luft der Sporthalle der Beihang-Universität. Das reichte zum Sieg über Tschigischew.
Als der Gold-Gewinn feststeht, ist der 143-Kilo-Koloss aus Niederösterreich nicht zu bremsen. Wie ein Tanzbär springt er über das eben gestemmte Gerät, umarmt seinen Trainer, hüpft auf dem Podium umher, um sich dann niederzuwerfen und auf den Boden zu trommeln. Immer wieder.
Bei der Siegerehrung versucht Steiner dann ganz still zu stehen. Er atmet schwer und ringt mit den Tränen. Während der Hymne muss sich seine Medaille die rechte Hand mit dem obligatorisch dazu gereichten Blumenstrauß teilen. Die linke Hand bleibt allein dem Bild seiner Frau vorbehalten. Sie verunglückte vor einem Jahr tödlich.
Sie war eigentlich der Grund für Steiners Einbürgerung in Deutschland. Er hat die Hürden der Bürokratie dennoch genommen und dem Bundesverband Deutscher Gewichtheber den größten Erfolg seit 1992 gesichert. Damals war es Ronny Weller, der bei den Olympischen Spielen in Barcelona den obersten Podestplatz erklomm.