neues aus neuseeland: weltrekord – wir sind scrabble-meister! von ANKE RICHTER :
Alle, die Olympia gucken, erinnern sich garantiert ans vergangene Wochenende. Selten hat eine kleine Nation für so viel Drama gesorgt wie die Kiwis im Rudern. Um Haaresbreite – ach was, Haarspaltenbreite – zogen die blonden Zwillinge Caroline und Georgina Evers-Swindell an den deutlich testosteronhaltigeren Teutoninnen vorbei. Puh, war das knapp! Knapp vor allem deshalb, weil man sich im Falle einer Niederlage der Kiwis und einer Goldmedaille der Deutschen hätte ausmalen können, welche Kommentare die ultragermanisch anmutenden Siegerinnen auf sich gezogen hätten. So kamen sie in diesem Teil der Welt glimpflich davon.
Selbst sonst so beliebte Bemerkungen über unrasierte Beine – eines der nicht auszurottenden weltweiten Identifikationsmerkmale deutscher Frauen – hat man sich verkniffen, obwohl die doch so nahe gelegen hätten. Man stelle sich Kommentator Pete vor, wie er grinsend Kommentator Keith zuraunt: „Diese deutschen Ladies … so schnell trotz des Windwiderstands unterhalb der Knie!“
Richtig dramatisch ging es kurz vor dem Zwillingssieg bei den Männern zu. Mahe Drysdale, mehrfacher Weltmeister und Neuseelands große Ruderhoffnung, war einem bösen China-Virus anheimgefallen und brachte den Slogan „Sport ist Mord“ zu seiner wortwörtlichen Bedeutung zurück. Wie er die letzten Sekunden vor der Ziellinie überstanden hat, daran konnte der vom Durchfall Geplagte sich später nicht mehr erinnern. Aber Millionen von Fernsehzuschauern sahen es: Ein hohlwangiges Wrack, ausgemergelt und im Stadium des akuten Zusammenbruchs, schien jeden Moment in die Wasser des Shunyi zu kippen. Als die Sanitäter ihm zur Hilfe kamen und ihn wie ein nasses Bündel zum Ponton schleppten, musste Drysdale sich übergeben. Aber nichts kam heraus. Schade eigentlich – es hätte ein noch unvergesslicherer Fernsehmoment werden können, als es der Anblick all dieses Würgens und Elends bereits war.
Von Teammitgliedern untergehakt, wurde der Ruderer mehr geschleift als gestützt zum Podium geleitet, wo es für die Leiden des jungen Mahe immerhin eine Bronzemedaille gab. Dann durfte der Held endlich kollabieren.
Es war, wie immer im Sport, die Woche der Moderatoren. Ein bisschen Glanz fällt für alle ab. John Campbell, ein ganz ausgeschlafener Bursche, stellte glatt die Rechnung auf, dass Neuseeland ja eigentlich besser dastünde als die USA und China – wenn man die Kiwi-Medaillen auf die gerade mal vier Millionen an hiesiger Bevölkerung umrechne. Dabei hat der Schlaufuchs einen Spitzenrekord gar nicht berücksichtigt: Gerade wurde ein Kiwi Weltmeister im Scrabble.
Nigel Richards ist 40, rückt seit 1997 Buchstaben auf einem Brett umher, trägt Bart und Brille und lebt in Kuala Lumpur. Davor arbeitete er im Wasseramt von Christchurch. Bei der vorigen World Scrabble Championship in Mumbai machte Richards den Gegner mit dem 86 Punkte zählenden Wort „equinias“ platt. Für alle, deren Wörterbuch hier streikt: Equinia ist eine hochinfektiöse Krankheit bei Pferden. Für beide Siege steckte der Scrabble-König je 50.000 Dollar ein. Da können Olympioniken nur müde lächeln – Trockenkotzen hin oder her.