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Archiv-Artikel

REGIONALE FAMILIENPOLITIK STEIGERT FRAUENGEHÄLTER Stadtluft macht gleich

Junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren verdienen in New York City inzwischen 17 Prozent mehr als ihre gleichaltrigen männlichen Kollegen. Sie haben die bessere Schulbildung, häufiger ein Studium abgeschlossen und die volleren Bankkonten. Diesen erstaunlichen Umbruch hat der amerikanische Soziologe Andrew Beveridge im letzten Jahr in einer Studie beschrieben.

Die jetzt vorgelegten Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass die Bundesrepublik beim Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern eher ein Entwicklungsland ist. Das gilt selbst für florierende Dienstleistungszentren, in denen Frauen immer noch 12 Prozent weniger Geld für vergleichbare Jobs erhalten. In ländlich geprägten Regionen beträgt die Differenz gar ein Drittel, ein Spitzenwert in Europa.

Die jungen Überfliegerinnen aus New York haben (noch) keine Kinder. Auch in den USA öffnet sich nach der Familiengründung eine – nicht so große – Gehaltsschere. Die DIW-Studie weist zu Recht darauf hin, wie wichtig eine „egalitäre Großstadtkultur“ und attraktive kommunale Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Einkommensverteilung zwischen den Geschlechtern sind. Denn wenn Unternehmen familienbewusste Personalpolitik betreiben oder sich Kinderbetreuung an den flexiblen Arbeitszeiten der Wissensökonomie orientiert, ist das ein handfester Standortvorteil – weil sich gut qualifizierte Arbeitnehmerinnen von solchen Angeboten angesprochen fühlen.

Die Bündnisse für Familien, die in den letzten Jahren an vielen Orten gegründet wurden, setzen als Netzwerke unterschiedlichster regionaler Akteure genau hier an. Sie beschränken sich keineswegs auf moralische Appelle für eine kinder- oder elternfreundliche Kommune, sondern leisten einen wirkungsvollen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter – mit dem Ergebnis, dass Frauen zumindest in Großstädten wie Hamburg oder Frankfurt kaum noch weniger verdienen. Von New Yorker Verhältnissen, wo sich fast schon eine Art „Gender Gap“ zu Lasten der Männer auftut, sind wir allerdings weit entfernt. THOMAS GESTERKAMP