Das Gedächtnis der Immunzellen

Antikörper gegen den Erreger der Spanischen Grippe sind noch fast 100 Jahre nach der Infektion im Körper der Überlebenden nachweisbar

Fast ein Jahrhundert nach dem Ausbruch der verheerenden Spanischen Grippe finden sich im Blut Überlebender immer noch Antikörper gegen das Grippevirus. Diese schützen Mäuse noch heute vor einer tödlich verlaufenden Infektion mit dem Grippevirus, berichten US-Forscher im britischen Wissenschaftsmagazin Nature. Sollte es je zu einer Grippeepidemie mit einem ähnlichen Virustyp kommen, könnten solche Antikörper eventuell auch therapeutisch genutzt werden.

Die Spanische Grippe zog zwischen 1918 und 1920 – ursprünglich aus Asien kommend – um die Welt und kostete insgesamt mindestens 25 Millionen Menschen das Leben, manche Experten gehen gar von 50 Millionen Todesopfern aus. Der Erreger, ein Grippevirus vom Typ H1N1, war außergewöhnlich aggressiv.

Er bedrohte vor allem junge, gesunde Menschen zwischen 20 und 40 Jahren und nicht wie Grippeviren anderer Typen hauptsächlich Kleinkinder und ältere Menschen.

James Crowe vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee und seine Mitarbeiter spürten nun insgesamt 32 Menschen auf, die die Grippepandemie noch selbst erlebt hatten. Sie waren damals zwischen zwei und zwölf Jahre alt, haben heute also ein Alter von rund 100 Jahren erreicht. Die meisten der Probanden konnten sich erinnern, dass ein Mitglied ihres damaligen Haushalts an der Grippe erkrankt war. Sie mussten also direkt Kontakt zu dem Virus gehabt haben.

Im Blut aller Probanden wiesen die Forscher Antikörper gegen den Erreger der Grippewelle von 1918 nach. Bei sieben von acht getesteten Menschen fanden sie darüber hinaus noch sogenannte Gedächtniszellen im Blut – B-Lymphozyten, die noch immer diese spezifischen Antikörper produzieren.

Spritzten die Wissenschaftler Versuchsmäusen solche Antikörper, starben sie anders als Kontrolltiere nicht an einer absichtlich herbeigeführten Infektion. Die Untersuchung zeige, dass im Menschen B-Zellen noch viele Jahre nach einer Infektion erhalten bleiben, sogar bis ins zehnte Lebensjahrzehnt, schreiben die Forscher. DPA, TAZ