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Archiv-Artikel

Kaffeegenuss und jüdische Kultur

Nach über 70 Jahren gibt es mit dem Café Leonar wieder jüdische Gastronomie in Hamburg. Das Café bietet nicht nur Kaffee, sondern bringt mit dem eingegliederten Salon und der Buchhandlung auch ein Stück jüdische Kultur zurück ins Grindelviertel

„Das Leonar ist das erste jüdische Café in Hamburg. Vielleicht ist das ja der Anfang“

von DANIELA KREBS

Ein jüdisches Kaffeehaus als Treffpunkt im ehemaligen jüdischen Zentrum – das war das Ziel von Sonia Simmenauer, als sie Anfang dieses Jahres das Café Leonar im Grindelhof 59 eröffnet hat. „Ich bedauere es sehr, dass es hier kaum ein öffentliches jüdisches Leben gibt. Es ist das erste jüdische Café in ganz Hamburg. Aber vielleicht ist das ja der Anfang“, sagt Simmenauer.

Das Grindelviertel in Hamburg war früher ein Zentrum für jüdische Kultur. Vor dem zweiten Weltkrieg lebten dort eine Vielzahl der etwa 25.000 Jüdinnen und Juden aus Hamburg. Heute sind beinahe vor jedem Haus so genannte Stolpersteine zu finden und berichten von der Vernichtung der jüdischen Gemeinde in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Steine sind vor Wohnhäusern in den Gehweg eingelassen und haben auf der Oberseite eine Messingplatte, auf der der Name und das Schicksal der dort ehemals lebenden Personen eingraviert sind.

Simmenauers Familie lebte früher auch in Hamburg. Ihr Großvater musste 1938 dann die eigene Papierfabrik aufgeben und floh daraufhin mit seiner Familie aus Hamburg nach Frankreich. „Die Fabrik gibt es heute nicht mehr. Aber den Namen der Fabrik, Leonar, habe ich übernommen. Der Name lebt weiter“, sagt Simmenauer.

Das Kaffeehaus ist auch morgens gut gefüllt. Viele Paare, Freunde und Familien jeder Altersgruppe treffen sich hier. Beim Frühstücken kann entweder in Büchern oder einer der vielen Zeitungen geschmökert werden. Es herrscht eine Atmosphäre, in der schon mal die Person am Nachbartisch nach dem Geschmack des Käsekuchens gefragt wird.

Das Kaffeehaus erinnert mit seinem modernen Stil und der angegliederten Buchhandlung an ein großes Wohnzimmer, nur eben mit Bücherregalen und einer Theke. Für das Design ist der Architekt Andreas Heller verantwortlich, der auch das Auswandererhaus in Bremerhaven entwickelt hat.

Jüdische Symbole finden sich dezent im modernen Stil des Cafés, wie etwa ein Menorah-Leuchter auf einem Regalbrett. Das Jüdische soll hier nicht aufdringlich sein. „Wir hören hier auch nicht den ganzen Tag Klezmer Musik und an der Wand hängt kein Davidstern. Wir sind für solche Symbolisierungen nicht da. Es gibt hier guten Kaffee, und dafür sind wir da“, sagt Simmenauer.

Die Möbel im Café sind schlicht, es gibt dunkle Holzstühle, grüne Ledersofas sowie bequeme Sitzecken. Die Wände sind in weiß gehalten, mit dezenten hellgrünen Blumenranken. In diese Einrichtung gliedert sich die Buchhandlung Samtleben und Guggenheim ein, die auch eine Filiale im Literaturhaus Hamburg hat.

„Das Café war von Anfang an mit einem jüdischen Salon und der Buchhandlung geplant.“, sagt Simmenauer. Im Hinterhaus, Salon oder Denkhaus genannt, finden Lesungen, Vorträge oder Musikveranstaltungen statt, die vom Verein „Jüdischer Salon am Grindel“ organisiert werden. Der inhaltliche Schwerpunkt der Buchhandlung liegt bei jüdischen Themen und AutorInnen, aber es gibt eine breitere Auswahl an Büchern.

Barbara Guggenheim, Miteigentümerin der Buchhandlung Samtleben und Guggenheim, sagt über die Verbindung von Café und Buchladen: „Das Café bringt nicht nur Lese- und Kaffeevergnügen, sondern ermöglicht auch schöne und interessante Begegnungen.“ Die jüdische Kultur in Hamburg werde kaum wahrgenommen, erzählt Guggenheim. „Es gibt viele Gründe, warum das Café gut läuft. Für Jüdinnen und Juden ist es schön, öffentlich jüdisches Leben wahrzunehmen. Für nicht-jüdische Besucherinnen und Besucher wird es oft als erleichternd angesehen, dass ein jüdisches Café in Deutschland wieder möglich ist“, sagt die Buchhändlerin.

Das Essen im Leonar ist nicht koscher zubereitet. „Ich mache das selbst auch nicht, ich bin nicht fromm“, sagt die Inhaberin. Auf der Karte stehen jedoch einige jüdische Gerichte. So gibt es etwa Salate nach jüdischer Art – wie Humus und Tehina oder Babaganush (ein Auberginendip) –, und Goldene Joich mit Kneidlach, eine Hühnerbrühe mit Matzenknödeln. „Die Rezepte stammen zum Teil aus meiner Jugend. Andere werden uns direkt von älteren Frauen gegeben. Es ist eine schöne Mischung“, sagt Simmenauer.

„Das Café läuft gut, es wird von den Anwohnenden und dem Bezirk gut aufgenommen. Nörgler und böse Leute gibt es überall. Aber der Tenor ist sehr gut, sehr warm. Die Leute freuen sich und es ist ein nettes Zusammensein. Ich kann also nicht klagen“, resümiert Simmenauer die letzten Monate des Cafés. Genauso wie Guggenheim sieht sie aber auch die Schattenseiten. „Die Aufmerksamkeit, die das Café erhält, ist schön, ich freue mich darüber. Aber es zeigt auch, dass es etwas besonderes, etwas seltenes ist. Und das kann sehr traurig stimmen.“