: Würgen und Tritte in der Zelle
Wegen schwerer Misshandlung eines Mitinsassen werden zwei Häftlinge zu Freiheitsstrafen verurteilt. Ihr Richter klagt über öffentliche Vorverurteilung
Für die schwere Misshandlung eines Zellengenossen im Gefängnis Salinenmoor bei Celle hat das Landgericht Lüneburg am Freitag zwei Häftlinge zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts haben sie ihr 28 Jahre altes Opfer mit Kopfschlägen, Würgegriffen und Tritten traktiert. Der eine Täter, ein 33-Jähriger, muss zwei Jahre und neun Monate Haft verbüßen und kommt anschließend in die Sicherungsverwahrung. Sein 29 Jahre alter Mittäter bekam zwei Jahre Haft.
Als der Vorfall in der Haftanstalt bekannt wurde, hatte die Opposition geargwohnt, die Landesregierung habe die Misshandlung in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar bewusst verschwiegen, um wenige Tage vor der Landtagswahl keine schlechte Presse zu bekommen. Der Vorsitzende Richter Günter Kruse dagegen beklagte die Vorverurteilung des Angeklagten durch „voreilige Politiker“, die sich von parteipolitischen Erwägungen hätten leiten lassen. Dies und „reißerische Schlagzeilen“ hätten seine Arbeit erschwert. „Es ist nicht so, wie der Anschein erweckt wurde, dass ein Kleinkrimineller zu Schwerstkriminellen in die Zelle gesteckt wurde“, sagte Kruse. Das im Januar wegen Schwarzfahrens einsitzende Opfer habe zuvor bereits eine langjährige Haftstrafe wegen räuberischer Erpressung verbüßt und sei nicht in die Zelle gezwungen worden.
Vom Vorwurf der sexuellen Nötigung des Opfers sprach die Kammer den 33-Jährigen frei. Es spreche manches dafür, dass der Angeklagte die Todesangst des Mithäftlings nutzte, um ihn zu sexuellen Handlungen zu zwingen, sagte Richter Kruse. Weil das Opfer aber erst dreieinhalb Tage nach dem Vorfall untersucht wurde, seien Spuren sexueller Übergriffe nicht mehr feststellbar gewesen.
Die Verurteilten hatten sich offenbar an der mangelnden Reinlichkeit ihres Opfers gestört. Die Situation eskalierte, als der 28-Jährige „zur Strafe“ zweimal das WC putzen musste. Danach habe der 33-Jährige begonnen, ihn gegen den Kopf zu schlagen.
Das Opfer betätigte zwar den Notruf, aus Angst vor seinen Peinigern verlangte er von den Justizvollzugsbeamten aber nur Kopfschmerztabletten. Anschließend würgte der 33-Jährige den Zellengenossen. Sein Komplize traktierte den 28-Jährigen mit einem Fußtritt und schlug ihm die Nase blutig. Mit der Drohung, ihm am Fensterkreuz zu erhängen, schüchterte ihn der 33-Jährige dermaßen ein, dass er sich erst zwei Tage später einem anderen Häftling anvertraute.
TAZ / DPA