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Archiv-Artikel

Alleskönner trifft Tempodribbler

Werder Bremen kann sich beim 1 : 1 gegen Schalke über den Rückkehrer Claudio Pizarro freuen. Und über den ebenso hervorragenden Mesut Özil, der Werder die Angst vor der Nach-Diego-Zeit nimmt

von RALF LORENZEN

Vor sieben Jahren zog der Peruaner Claudio Pizarro von Bremen aus in die Welt, um ein ganz Großer des Fußballs zu werden. Am Samstag kehrte er euphorisch gefeiert ins Weserstadion zurück – ohne die ganz großen Lorbeeren zwar, aber immer noch mit dem Ruf, ein Weltklasse-Stürmer zu sein.

Schon nach sieben Minuten hätte der von Chelsea London ausgeliehene Stürmer seine Verpflichtung rechtfertigen können. Mustergültig freigespielt von Markus Rosenberg hatte er Mathias Schober schon umkurvt, da warf sich der Schalker Torwart doch noch in die Schussbahn. Und es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Bremer beim 1 :  1 an Schalkes Torhüter verzweifelten.

Werders auffälligster Spieler der ersten Hälfte war der neue alte Virtuose Claudio Pizarro. Ob Balleroberung, -annahme oder -mitnahme, wenn es im Fußball eine B-Note für den künstlerischen Ausdruck gäbe, Pizarro wäre unschlagbar. In einigen Situationen merkte man ihm den Trainingsrückstand zwar noch an, den er aufgrund einer Muskelblessur aus London mitgebracht hat. Dennoch macht ihn sein Bewegungsablauf mit der Mischung aus Kraft, Technik und Dynamik zu einem der komplettesten Spieler der Bundesliga.

Der zweiten Halbzeit drückte ein anderer Bremer Spieler seinen Stempel auf. Der vor einem Jahr von Schalke nach Bremen gewechselte Mesut Özil, der den nach Peking entflohenen Diego ersetzte, wirbelte seine ehemaligen Mannschaftskollegen mehrfach durcheinander. Anders als Pizarro, der das ganze Arsenal fußballerischer Fertigkeiten einsetzt, sticht bei Özil ein Mittel besonders hervor: das Tempodribbling. So wie in der 63. Minute, als er die Schalker Abwehr auf der linken Seite spielend leicht überlief, abstoppte, Verfolger Benedikt Höwedes ins Leere laufen ließ und an die Strafraumgrenze zurücklegte, wo Markus Rosenberg den Ball für den einschussbereiten Torsten Frings durch die Beine ließ.

Überhaupt Markus Rosenberg: Der Schwede harmonierte so gut mit Pizarro, dass auf die anderen Stürmer wohl harte Ersatzbankzeiten zukommen. Boubacar Sanogo und Hugo Almeida erspielten sich nach ihrer Einwechslung zwar noch eine hundertprozentige Torchance – diese ließ Almeida aber genauso ungenutzt wie vorher Jensen und Rosenberg ihre Großchancen.

Wenn schon vorn keiner mehr reingeht, dann lieber hinten dichtmachen – das muss Thomas Schaaf wohl gedacht haben, als er in der 85. Minute Clemens Fritz, der seinen Platz in der Startformation überraschend an Petri Pasanen abgeben musste, zur Einwechslung für Mesut Özil anmeldete. Zu spät: Schalke nutzte Bremens Abschlussschwäche und Heiko Westermann schob aus kurzer Distanz einen Abpraller ins Tor.

„Wenn man bei einer großen Partie wie Bremen gegen Schalke einen Punkt nach Gelsenkirchen mitnimmt, dann ist man zufrieden“, freute sich Schalkes Trainer Fred Rutten nach dem Spiel, während der Ärger ganz auf Bremer Seite lag: „Schade, dass wir nicht die Belohnung eingefahren haben“, grummelte Trainer Thomas Schaaf, konnte dem Spiel aber auch etwas abgewinnen: „Wir haben heute sehr, sehr viele Dinge richtig gemacht und viel von dem gesehen, wo man hinwill.“ Zu den positiven Posten in der Bilanz gehört neben dem Einstand von Claudio Pizarro auch der Auftritt von Mesut Özil, der den Bremern viel von der Angst vor der Nach-Diego-Zeit nimmt, die irgendwann anbrechen wird.