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Archiv-Artikel

Nie erlebte Leichtigkeit

Tennisspielerin Anna-Lena Grönefeld gewinnt bei den US-Open wieder ein Grand-Slam-Spiel. Zwei Jahre nach der Trennung von ihrem sie quälenden Trainer scheint sie sich selbst gefunden zu haben

AUS NEW YORK DORIS HENKEL

Die Sonne schien, der Himmel war von einem märchenhaften Blau, es wehte eine leichte, kühle Brise, und Anna-Lena Grönefeld schrieb Autogramme. Es war ein Moment, dem nichts fehlte, weder im Inhalt noch in der Form. Um einzuschätzen, welche Bedeutung er hatte, genügt die Erinnerung an ihren letzten Auftritt zuvor bei diesem Turnier.

Im August 2006, damals war sie 21, hatte sie auf einem der Nebenplätze ein Spiel der ersten Runde verloren, während dessen ihr damaliger Trainer Rafael Font de Mora demonstrativ die Zuschauerränge verlassen hatte; er fand, sie strenge sich nicht genug an, und sie sollte seine Abwesenheit als Strafe empfinden. Unmittelbar nach dem Spiel verteidigte sie sein ungewöhnliches Verhalten, ein paar Tage später machte die Meldung die Runde, Font de Mora und Grönefeld hätten sich getrennt.

Das war das Ende einer unseligen Partnerschaft. Im Nachhinein betrachtet das Beste, was ihr passieren konnte. Nach vier zwanghaften Jahren in Font de Moras Tennis-Akademie in Scottsdale/Arizona, in denen er jede Minute ihres Tages kontrollierte, ihr Besuche der Eltern verbat und erklärte, das schade ihrer Konzentration aufs Tennis. Er wollte aus ihr, der naiven Blonden aus der deutschen Provinz, sein Geschöpf, seinen Tennisstar machen. Die Trennung vor zwei Jahren in New York war der Beginn einer Katharsis. „Ich bin glücklich, ich bin entspannt, ich renne nicht mehr wie ein Roboter herum und ich treffe meine eigenen Entscheidungen“, sagte sie nach dem überzeugenden Sieg gegen die Slowakin Daniela Hantuchova, dem ersten bei einem Grand-Slam-Turnier seit Januar 2007. Es war ein steiniger Weg. Am Anfang schien es, als sollte ihr ehemaliger Coach Recht behalten mit der Prophezeiung, ohne ihn werde sie als Spielerin innerhalb kürzester Zeit aus dem Blickfeld verschwinden. Grönefeld wollte jedoch seinem rigiden Regiment und den dreimal täglich stattfindenden Gewichtskontrollen entkommen – wenn sie ein paar Gramm zu viel wog, ordnete er Straftraining an. Sie mochte sich nicht mehr unter Druck setzen lassen, auch nicht von sich selbst.

Innerhalb weniger Monate nahm sie so zu, dass ihre Figur nur wenig Ähnlichkeit mit der einer Profisportlerin hatte. Sie verlor Spiele, die sie zu ihrer Zeit als Nummer 14 der Welt mit einem Arm gewonnen hätte, sie verschwand aus den ersten Hundert der Weltrangliste, 200 und 300.

Sie fühlte sich auch lange Zeit nach der Trennung nicht frei von Font de Mora, dem sie vorwarf, er verfolge sie. Doch dann machte sie den entscheidenden Schritt. Grönefeld zog sich mehrere Monate vom Turnierzirkus zurück, um ihr Leben zu sortieren. Um mehr Zeit für Freunde und für kleine Freuden des Alltags zu haben und die Welt von ihrem neuen Mittelpunkt Saarbrücken aus zu betrachten. Bestärkt von ihrem neuen Trainer Dirk Dier, einem ehemaligen Profi, und von Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, die ihr riet: „Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“

Was sie fand, machte sie glücklich, abseits jener Welt, die nur aus Tennis, Tennis, Tennis besteht. Und Ende Februar 2008 begann sie wieder zu trainieren. Im Mai kehrte sie zurück, allerdings nicht auf der großen Bühne – dazu war ihre Position in der Weltrangliste längst nicht mehr gut genug –, sondern bei kleineren und kleinsten Turnieren. Und schon beim zweiten begann eine bemerkenswerte Serie. Sie gewann drei Titel in Folge, nur unterbrochen von einer Niederlage. Da wusste sie, dass sie den nächsten Schritt wagen konnte. Sie kam mit einer Bilanz zu den US Open, die sie in ihrer besten Zeit nicht erreicht hatte: 36 Siege und nur vier Niederlagen.

Die Zeit bei den kleinen Turnieren hatte sie nicht als unangenehm empfunden – im Gegenteil. Sie war froh, sich fast unbeobachtet an das rastlose Leben zu gewöhnen, abseits des öffentlichen Interesses. Denn die Fragen nach der Vergangenheit, vor allem die, warum sie die Tortur vier Jahre lang klaglos ertragen hatte, hört sie nicht gern. „Das Früher war ein Teil meines Lebens, aber der Teil ist vorbei; für mich ist das jetzt Vergangenheit.“

Sicher ist sie nicht in der Form wie vor zwei, drei Jahren. Vor allem an der Fitness fehlt es noch. Aber das kompensiert sie mit der gewohnten Härte in den Schlägen und einer trotz des geringeren Gewichtes im ersten Teil ihrer Karriere nie erlebten Leichtigkeit. Im Spiel gegen Hantuchova, die ja immerhin Nummer zwölf der Welt ist, fühlte sie sich sichtlich wohl. Und das Vergnügen in New York könnte ausbaufähig sein angesichts einer Gegnerin wie der Australierin Jessica Moore in Runde zwei, die in der Rangliste (178) deutlich hinter ihr steht.

Aber selbst für den Fall, dass Anna-Lena Grönefeld trotz der positiven Zeichen nie mehr in jene Regionen zurückkehren sollte, zu denen sie einmal gehörte, ist ihr der größte Erfolg von allen sicher. Denn sie gehört jetzt sich selbst.