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Archiv-Artikel

Wie öko ist der Pappsarg?

Auch beim Beerdigen ist „Geiz geil“, beklagen sich die Bestattungsunternehmen. Warum die Alternativen zum Mahagoni-Sarg sinnvoll sind, fragten wir Martin Rode vom BUND Naturschutz

Martin Rode ist Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Bremen

Interview Klaus Wolschner

taz: Herr Rode, der Senat will in seiner neuen Friedhofsordnung die so genannten Pappsärge erlauben und unter bestimmten religiösen Umständen die Bestattung in Leinentüchern. Ist das Öko?

Martin Rode, BUND Naturschutz: Ökologisch ist es sicherlich nicht schlechter. Bei einem Pappsarg und auch bei einem Leinentuch haben wir einfacherer Verrottungsprozesse. Es kommt schneller zur Verwesung. Und die Materialien bringen weniger stoffliche Belastungen in den Boden.

Da kommt es darauf an, wie die Pappe angestrichen ist.

... und wie sie verkleidet ist. Aber unter dem Strich wird das in aller Regel umweltverträglicher sein.

Für Angehörige ist die schnelle Verwesung oft kein Argument, im Gegenteil. Sie verlängern die Zeit von 25 Jahren noch.

Wir müssen von der Regel ausgehen. Oft wird eine Grabstelle nach 20 oder 25 Jahren neu belegt. Und da ist es schon wichtig, dass ein vollständiger Zersetzungsprozess vorher stattfindet. Viele wollen ja auch eine eigene Bestattung auf der Grabstelle, die sie lange Jahre gepflegt haben.

In früheren Jahrhunderten kannten auch Christen die Leinentuch-Beerdigung. Ist das noch sinnvoller als Pappe?

Da würde ich keinen Unterschied machen. Beides sind einfache Materialien. Warum die Leinentuch-Bestattung nur für Muslime erlaubt werden soll, scheint mir nicht nachvollziehbar. Warum sollen nur Muslime die sinnvollere Möglichkeit wählen können?

Nun gibt es in Bremen oft eine ganz andere Überraschung bei der Öffnung von Gräbern nach 25 Jahren.

Viele Friedhöfe liegen in Gebieten mit hohem Grundwasser-Spiegel. Wo eine hohe Wassersättigung besteht, können Zersetzungen, die Sauerstoff brauchen, nur langsam vorangehen. So kommt es häufig vor, dass der Zersetzungsprozess nicht abgeschlossen ist, wenn eine Grabstelle nach 25 Jahren geöffnet wird.

Was kann man tun?

Wenn der Zersetzungsprozess bei Pappe oder Leinentuch schneller in Gang kommt, wäre das sicherlich ein Vorteil. Grundsätzlich muss man überlegen, ob manche Friedhofsstandorte geeignet sind. In Nordrhein-Westfalen ist seit 2003 erlaubt, die Totenasche auf einem besonderen Feld des Friedhofs zu verstreuen, wenn der Verstorbene das testamentarisch verfügt hat.

Spielt der Giftanteil in der Farbe auf den Särgen eine Rolle in der Ökobilanz im Vergleich zu den Giften, die in den Körpern sind?

Generell ist es ein Problem, das ein menschlicher Körper quasi ein Sondermüll-Endlager ist. Angefangen vom Zahnersatz und künstlichen Organen bis hin zu den Schadstoffbelastungen, die sich in einem langen Leben ansammeln. Alles zusammen bringt eine erhebliche Belastung für die Friedhofsstandorte, sie gelten als belastete Böden.

Spricht das für eine Feuerbestattung?

Teilweise ja. Es gibt Stoffe, zum Beispiel Metalle, die nicht verbrannt werden, anderes geht in die Luft. Organische Schadstoffe aber werden bei einer Verbrennung mit beseitigt, etwa Pestizid-Rückstände, die sich im Körper angesammelt haben.

Die Koalition will den Friedhofszwang nicht aufheben.

Das scheint mir auch sinnvoll. Eine Bestattung ist immer etwas ganz Persönliches. Aber wenn man nur die Bodenbelastung betrachtet, dann ist es sinnvoll, diese konzentriert auf dem Friedhofsgelände zu halten und nicht im privaten Gartenbereich zu verteilen.