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kabinenpredigtFuchs der Füchse

Es ist nicht bekannt, ob Bob Hanning ein Freund des Kinos ist. Und ob er wie so viele Cineasten die nächste Berlinale kaum erwarten kann. Gewiss ist allerdings, dass Hanning der Schöpfer des Begriffs der „Berlinalisierung“ ist.

Tagein, tagaus spricht der Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten Füchse Berlin davon. Berlinisierung klingt einfach nicht so gut. Viel zu spröde. Hanning würde diese gebräuchlichere Bezeichnung wahrscheinlich als eine Banalisierung seiner „Berlinalisierung“ empfinden.

Man muss wissen: Es geht hierbei nämlich um einen Leitbegriff seiner Vereinspolitik. Gemeint ist mit der „Berlinalisierung“ die Förderung einheimischer Talente, die einmal ins Profiteam integriert werden sollen.

Ein wahrlich ehrgeiziges Projekt. Hanning erklärte letzte Woche vor dem Saisonauftakt: „In zwei Jahren will ich mindestens die Plätze 13 bis 16 in der Mannschaft mit Spielern aus der Region abgedeckt wissen.“ Wenn es zu keinen Verzögerungen kommt, hätten die Füchse in sechs Jahren eine echte Kieztruppe beisammen – auf der Ersatzbank.

Kleingeister mögen die selbst gezüchtete städtische Reserve in spe für gar nicht so visionär halten, um deshalb eigens ein Wort dafür zu erfinden. Hanning aber ist eben ein Großgeist. Deshalb erinnert er auch gerne daran, dass die erste Liga in Deutschland die weltbeste ist. Angesichts dieser Tatsache erklärt sich doch irgendwie von selbst, dass am Samstag beim 33:26-Sieg der Füchse in Wetzlar kein Berliner zu den Torschützen zählte.

Läuft es aber nach Hannings grandiosen Plänen, wird in geraumer Zeit alles anders: Die Berliner Talente wachsen über sich hinaus und werfen ein Tor nach dem anderen. Wohl oder übel fangen dann die Ligakonkurrenten das Kopieren an. Man wird von der Hamburgalisierung, Wetzlaralisierung und Nordhornalisierung hören. Und keiner wird mehr dabei wie einst in Berlin ans Filmgeschäft denken, sondern nur noch ans Geschäft mit billigen Talenten.

Wenn nicht, dann besuchen zumindest die Zuschauer die Schmelinghalle im Glauben, es könnte einmal so sein. Auf diese Weise funktioniert die „Berlinalisierung“ à la Hanning auch: Die Zukunft wird schon jetzt vermarktet. Komme, was wolle. JOHANNES KOPP

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