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Archiv-Artikel

Es geht olympisch weiter

Ob in der Inneren Mongolei, auf der subtropischen Insel Hainan oder vor der Küste von Schanghai: In allen Regionen Chinas boomt derzeit die Windenergie. An der technischen Qualität wird noch gefeilt. Ein Blick hinter die Kulissen

VON DIERK JENSEN

Der Mechaniker Dai Wei arbeitet seit einigen Monaten im sogenannten Olympia-Windpark am Guanting-Stausee nordwestlich von Peking. Die Windfarm war das „grüne Gewissen“ der diesjährigen Sommerspiele, die im letzten Winter, bei frostigen minus 20 Grad Celsius, errichtet wurde. Seitdem drehen sich dort 33 Windmühlen à 1,5 Megawatt Leistung vom chinesischen Branchenprimus Goldwind.

Der 23-jährige Wei sorgt mit einem kleinen Serviceteam dafür, dass im olympischen Windpark alles rundläuft. Was nicht immer der Fall war. „Einige Umrichter waren fehlerhaft, wir mussten sie austauschen“, erklärt er auf dem Weg in den Windpark. Die Fahrt führt an Kirschenplantagen und fruchtbaren Äckern vorbei. Auf dem holprigen Feldweg wirbelt Wei mächtig Staub auf. Ein Bauernpärchen zuckelt mit einem Eselswagen vorbei. Sie grüßen, der Windmechaniker grüßt höflich zurück. „Die Bauern stehen den Mühlen nicht feindlich gegenüber. Sie sind im Vorfeld über das Projekt informiert worden. Sie nahmen auch Einfluss auf die einzelnen Standorte der Turbinen“, beteuert der junge Wei. Wenn der Windpark an die Stadt Peking, übergeben wird, verlassen er und das Team den Standort.

„Danach geht’s ins nächste Projekt“, erzählt er am späten Abend. „Das kann überall in China sein, im tropischen Süden, an der russischen Grenze im Nordwesten oder tausende Kilometer weit weg von hier in der Provinz Gansu südlich der Mongolei.“

Einige hundert Kilometer weiter westlich, nordöstlich von Hohhot, Provinzhauptstadt der Inneren Mongolei. Der runde Tisch dreht sich unaufhörlich. Immer neue Speisen werden aus der Garküche aufgetragen. Lamm, Schwein, Gemüse, Fisch werden serviert. Das Tsingtao-Bier fließt, kleine Gläser füllen sich mit hochprozentigem Schnaps. Immer wieder wird am Tisch „Gan bei“ angestimmt; der berühmt-berüchtigte chinesische Trinkspruch fordert den Zugeprosteten zum Leeren ihrer Gläser auf. Ohne dieses Ritual läuft kaum ein Geschäft in China. Auch nicht in der Windenergiebranche.

Grau hängt der Himmel am nächsten Morgen über der kargen Landschaft in Qahar Youji Zhongqi. Auf der wenig frequentierten Hauptstraße brausen mit Steinkohle beladene Lastwagen vorbei. Das Monteurteam der Firma CSIC macht sich zusammen mit dem deutschen Ingenieur Holger Struve vom Rendsburger Ingenieurbüro aerodyn zum Windpark auf dem 2.000 Meter hoch gelegenen Plateau Hui Teng Xi Le auf, das nun seit vielen Jahren als Teststandort für die chinesische Windindustrie dient.

„Wir sind unter Zeitdruck“, räumt Youchuan Tao, Chefingenieur des Windbereichs beim Schiffbaugiganten CSIC, am Fuße des von aerodyn entwickelten 2-MW-Prototypen an. Die Erwartungen, die auf dem neuen Betriebszweig im Konzern mit mehr als 300.000 Beschäftigten ruhen, sind hoch. „Wir sind Neueinsteiger im Windsegment. Es ist klar, dass wir hinsichtlich des Designs, des Zusammenbaus der Komponenten und der Zulieferungen noch einiges verbessern müssen“, sagt Tao. „Vor allen Dingen müssen wir mit den Lieferanten über die Qualität diskutieren, die muss besser werden“, erklärt er.

CSIC möchte schon im September die Serienproduktion der 2-Megawatt-Anlage aufnehmen. Dafür ist in Chongqing, der Millionenmetropole in der Mitte Chinas, in Rekordtempo eine neue Fertigungshalle hochgezogen worden. Die erste Bestellung über zwölf Anlagen liegt bereits auf dem Tisch; schon im nächsten Jahr will man schon bis zu 200 Windturbinen produzieren.

Die chinesische Regierung gab im Jahr 2006 das Ziel von 30.000 Megawatt Leistung aus Windenergie bis 2020 heraus. Schon heute ist abzusehen, dass dies schon in wenigen Jahren erreicht sein wird. Und da der Energiehunger im Reich der Mitte mittelfristig grenzenlos bleibt, halten Insider es inzwischen für durchaus möglich, dass bis zum Jahr 2.020 sogar 50.000 Megawatt an Windenergieleistung installiert sein werden.

So steht Firmen wie Goldwind, Sinovel, Nordex China, Mingyang, CSIC und Guodian, stellvertretend für andere, nicht nur in diesem Jahr Olympisches bevor. Dabei diktiert die Zentralregierung als graue Eminenz der chinesischen Energiewirtschaft weiterhin von oben herab, wie und von wem der Beitrag zur Windenergie geleistet wird. „Trotz der seit 2006 gesetzlich vorgeschriebenen Vorrangigkeit von erneuerbaren Energien ist der Netzanschluss von Windparks in manchen Fällen immer noch kompliziert“, merkt Goldwind-Manager Wang Jin im neu bezogenen Quartier der Goldwind Science & Creation Windpower Equipment Co. Ltd. südöstlich von Peking an. In der dortigen Fertigung werden monatlich 30 Turbinen der getriebelosen 1,5-Megawatt-Anlage – wie sie sich im Olympia-Windpark drehen – zusammengefügt. Auf einem großen Plakat an der Hallenwand ist zu lesen: „Preserving white clouds and blue sky for human beings and reserving more resources for future.“