piwik no script img

Archiv-Artikel

Wann ist die Ehre einer Behörde verletzt?

Das Gegendarstellungsrecht für Behörden wird zu Recht erschwert, sagt die Rechtsanwältin Carolin Herzig

Behörden können ihre Sicht der Dinge viel eher öffentlich darstellen

Die Richter des Berliner Verfassungsgerichtshofes haben mit ihrem gestrigen Beschluss die freie Presse gestärkt. Danach ist es für Behörden schwieriger als für eine natürliche Person oder beispielsweise eine GmbH, eine Gegendarstellung zu erwirken.

Zur Klarstellung: Bürger, Behörden und andere Betroffene haben verschiedene Möglichkeiten, gegen Presseberichte vorzugehen. Neben der Möglichkeit, einen erbosten Leserbrief zu schreiben, sieht das Landespressegesetz als Rechtsmittel die Gegendarstellung sowie einen Anspruch auf Unterlassung oder auf Richtigstellung vor. Jeder Anspruch dient einem anderen Zweck und ist an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. Die Gegendarstellung, um die es hier geht, ist sozusagen die „Erste Hilfe“ unter den Rechtsschutzmöglichkeiten. Dem Betroffenen soll zeitnah eine Plattform eingeräumt werden, um seine Sicht der Dinge demselben Adressatenkreis darzulegen – unabhängig davon, welche Darstellung wahr ist. Das Gegendarstellungsrecht schützt – wie die Unterlassung oder die Richtigstellung auch – das Persönlichkeitsrecht und wurde in erster Linie als Instrument zum Schutz von Privatpersonen entwickelt.

Der Grundgedanke des Rechtsinstituts passt offensichtlich nicht nahtlos auf Behörden. Dennoch haben die Gerichte bislang Behörden und Privatpersonen in dieser Rechtsfrage gleich behandelt. Wann ist aber eine Behörde in ihrer „persönlichen Ehre“ verletzt? Wann sollte ihr deshalb eine Plattform in der Presse eingeräumt werden? Und könnte der Staat das Rechtsinstitut missbrauchen? Der Verfassungsgerichtshof differenziert nun zu Recht und stellt strengere Anforderungen an das Gegendarstellungsrecht von Behörden. Behörden können beispielsweise über ihre Pressereferate ihre Sichtweise verbreiten. Gleichzeitig schützt diese Rechtsprechung den Prozess öffentlicher Meinungsbildung vor dem Missbrauch durch staatliche Stellen. Ungewünschte Berichterstattung kann nicht mehr so leicht blockiert werden. Voraussetzung für den Abdruck der Gegendarstellung ist nun, dass die konkrete Äußerung über die Behörde geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität staatlicher Stellen zu untergraben. Gut für die Meinungsfreiheit. CAROLIN HERZIG