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Archiv-Artikel

„Mir geht’s gut hier“

Johan Micoud, Werders neuer Super-Star im Mittelfeld, über seinen Umzug nach Bremen, Fußgänger, die bei Rot stehen bleiben, und sein Verhältnis zu Sportdirektor Klaus Allofs

taz: Ein Weltklasse-Spieler wie Sie – warum spielt der bei Werder Bremen?Johan Micoud: Weil das ein guter Verein ist. Nein, da gab es konkrete Umstände, dank derer ich mich hier wiedergefunden habe. Vor allem die erste Diskussion mit Klaus Allofs hat mich in Kontakt zu Bremen gebracht. Es gab bereits ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und mir, und das habe ich gesucht, als es irgendwann in Parma nicht mehr so gut lief. Hier habe ich das gefunden.

Wie steht’s mit dem Team?

Als ich ankam habe ich gesagt: Die Mannschaft ist gut, aber ein bisschen jung. Heute haben wir einiges an Reife dazugewonnen, Vertrauen in unser Können, und das sieht man auf dem Platz. Wir sind heute in guter Position in der Bundesliga.

Hat Allofs Sie angerufen und gefragt, ob Sie nach Bremen kommen?

Nein, wir haben uns in Nizza persönlich getroffen und darüber diskutiert. Innerhalb von vier, fünf Tagen war es offiziell abgemacht. Das ging sehr schnell.

War das schwer für Sie, in eine fremde Stadt zu ziehen in ein Land, dessen Sprache Sie nicht sprechen?

Ja. Zumal diese Sprache ziemlich schwer zu lernen ist. Aber es ist ja auch nicht schlecht, verschiedene Kulturen kennenzulernen.

Wer hat Ihnen geholfen, hier Fuß zu fassen?

Der Verein. Das war echt super. Wir haben lange nach einer Wohnung gesucht, aber nichts richtig Passendes gefunden. Das war anfangs sehr schwierig. Aber die waren immer für uns da.

Was ist für Sie wichtiger: dass der Club gut spielt oder dass die Stadt Ihnen gefällt?

In erster Linie ist schon das sportliche Niveau ausschlaggebend. Ich habe mich natürlich auch über die Stadt und die Region informiert. Eine Bekannte aus Cannes, die in Hamburg lebt und Bremen sehr gut kennt, hat mir gesagt, dass es hier im Großen und Ganzen ganz nett sei.

Was hat Sie Ihnen erzählt?

Dass es eine sympatische und sehr grüne Region sei, mit einer hübschen kleinen Stadt. Als ich das erste Mal durchgelaufen bin, fand ich sie charmant.

Sie haben lange in Südfrankreich gelebt. Vermissen Sie die Berge?

Nein, es ist angenehmer, hier Rad zu fahren. In Frankreich war ich, seit ich hier bin, noch kein einziges Mal.

Haben Sie Bremen schon erkundet?

Ja. Vor allem den Schnoor finde ich super. Neulich war ich auf dem Weihnachtsmarkt, und die geschmückte Innenstadt ... vieles, was man Kindern zeigen kann.

Und die Bremerinnen und Bremer? Haben die Sie gut aufgenommen?

Schon. Wenn ich in der Stadt spazieren gehe, grüßen mich die Leute. Aber im Gegensatz zu Parma, wo ich öfters stundenlang vollgequatscht wurde, lassen sie mir meine Privatsphäre. Das ist angenehm.

Im Vergleich zu Parma, Bordeaux oder Cannes: Was fällt in Bremen auf?

In Italien arrangiert sich jeder, wie er will oder kann. Hier gilt eher „Gesetz ist Gesetz“. Das ist viel rigider, viel geregelter als in Italien. Meine Nachbarn etwa: Das sind ziemliche Spießer. Und neulich habe ich eine rote Fußgängerampel gesehen. Weit und breit war kein Auto in Sicht, aber die Leute sind nicht über die Straße gegangen. In Frankreich gäbe es das nicht.

Ist ihre Familie gleich mit Ihnen nach Bremen gezogen?

Ja. Ich bin ja erst Ende August angekommen. Da mussten wir uns beeilen, unsere Tochter noch an der Schule anzumelden.

Eine deutschsprachige?

Nein, die internationale. Dort unterrichten sie auf Englisch. Wir hatten nach einer französischen oder internationalen Schule gefragt.

Wollen Sie Deutsch lernen?

Ja. Aber das ist echt hart. Ich habe kaum Zeit für die Kurse. Außerdem gibt es in Deutschland ein Problem: Alle sprechen Englisch.

Als EU-Bürger dürfen Sie im Mai Stadtbürgerschaft und Beiräte wählen. Halten Sie Politik für wichtig?

Bisher nicht so sehr. Aber als bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich der rechtsradikale Le Pen bis in die zweite Runde kam – das hat mich schon ein wenig erschreckt. Da habe ich mir gesagt, dass ich mich mehr dafür interessieren sollte.

Wählen Sie eher rechts oder eher links?

Ich steh’ auf Seiten der Grünen.

Vor kurzem hat die Polizei die Geschäftsräume von Werder durchsucht, weil Vorstand Klaus-Dieter Fischer verdächtigt wird, in einen Korruptionsskandal verwickelt zu sein. Beunruhigt Sie das?

Was diesen Fall betrifft: Darüber werde ich mit Allofs sprechen.

Zu ihm haben Sie den besten Draht?

Ja. Er ist derjenige, der französisch spricht.

Wenn Werder aufgrund eines Skandales in finanzielle Schwierigkeiten kommen würde – wäre das für Sie ein Grund, Konsequenzen zu ziehen?

Diese Frage geht sehr weit. Man weiß ja noch gar nichts.

Was wären denn Kriterien für einen Wechsel?

Vor allem die Beziehung zu der Person, der ich gegenüber säße. Ich weiß aber nicht, ob ich einen wie Allofs nochmal finde.

Fragen und Übersetzung: Armin Simon