: Dosen auf Wiedervorlage
Harte Zeiten für Obdachlose: Dosenbier ist deutlich teurer geworden, dank 25 Cent Pfand. Der Einzelhandel erteilt Sprechverbot und wartet ab. Zusatzpersonal wird nicht eingestellt. Wohin die leeren Dosen verschwinden, wissen wohl nur Eingeweihte
Vorbei die romatische Zeit, als man Telefonnummern auf alten Kassenzetteln weitergab, vorbei auch die Ära der schnell in den Schmöker gesteckten Lesezeichen von „Aldi“, „Penny“ oder „Extra“. Seit gestern sind Kassenbons Bares wert, vorausgesetzt es steht ein magisches Wort darauf: „Einwegpfand“. Schließlich legt man seit gestern für Mineralwasser, Bier oder Limo in Dosen oder Plastikflaschen 25 Cent Pfand hin. Sind in der Flasche mehr als anderthalb Liter, kostet sie satte 50 Cent mehr.
„Früher hat die Dose 34 Cent gekostet“, sagt ein Billigdosenbier-Trinker. Mit Pfand muss er jetzt 59 Cent zusammenkratzen, bis er sich sein Hausgetränk leisten kann. Wenn er es bei „Plus“ kauft, bekommt er statt eines Bon eine dünne Blechmünze als Pfandmarke. Ohne die gibt’s kein Bares – mit Marke, aber ohne Dose hingegen schon: Naturschutzbund-TestkäuferInnen erfuhren gestern, dass sie ihr Geld auch ohne Pfandgut zurück bekommen. „Die könnt ihr in den gelben Sack werfen“, bekamen sie zu hören. „Damit wird das Pfandsystem konterkariert“, ärgerte sich Nabu-Aktivistin Julia Bonheur. In der „Plus“-Filiale Auf den Häfen herrschte schon vormittags miese Stimmung: „Nee, das macht keine Schwierigkeiten, wir haben dadurch auch keine Mehrarbeit! Deshalb haben wir ja dagegen geklagt, blöde Frage“, zickt ein Kassierer. Der Marktleiter hat Sprechverbot von oben. Auch er weiß nur, dass der Lieferant die zurückgenommenen Dosen und PET-Flaschen wieder ins Warenlager nimmt.
Im „Penny“ am Ulrichsplatz klingt es ähnlich: „Entscheidend ist der Kassenbon. Dafür bekommen sie das Pfand“, sagt Marktchefin Michaela Busse. Was mit den zurückgenommenen Dosen und Flaschen passiert, weiß sie nicht, außer dass ihr Lieferant sie mitnimmt. Andreas Krämer, Pressereferent der „Rewe“-Handelskette, zu der auch „Penny“ gehört, hat keine Ahnung vom Schicksal der leergetrunkenen Behältnisse.
Der ebenfalls mit Sprechverbot belegte „Aldi“-Filialleiter an der Violenstraße reagiert korrekt: „Sie werfen die Flaschen überhaupt nirgends hin, sondern geben die mit dem Bon an der Kasse ab. Wir entsorgen die dann.“ Damit hat sich auch „Aldi“ dem Pfandsystem gebeugt. Zwar hat der Marktführer von großem Medienrummel begleitet kurz vor dem Jahreswechsel alle Dosen aus dem Sortiment genommen, inkonsequenterweise aber nicht alle jetzt pfandpflichtigen PET-Flaschen.
Konsequenter war die „Schlecker“-Drogeriekette: Alles, was pfandpflichtig wäre, ist aus den Regalen verschwunden. „Ab Montag kommt neue Ware, wahrscheinlich viele Tetrapacks“, vermutet Anita Rahn in der Filiale Violenstraße. „Karstadt“ an der Obernstraße gibt sich dagegen kundInnenfreundlich: Diethard Frank, Leiter des „kulinarischen Treffpunktes“, erklärt, dass man das Pfand am Service-Punkt des Marktes zurück bekomme, natürlich auch für zusammengequetschte Dosen.
Ob mit Kassenbon oder Marke, allen Einzelhändlern gemein ist, dass sie kein zusätzliches Personal eingestellt haben. Und, dass offenbar kaum jemand weiß, was aus den zurückgenommenen Verpackungen wird.
Das scheint die Umweltbehörde auch nicht besonders zu interessieren: „Für die Entsorgung muss sich der Handel seine Wege selbst suchen“, sagt Insa Nanninga, zuständig für Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Wer wolle, dürfe weiterhin Dosen in den gelben Sack werfen, sagte sie. „Ist nur vielleicht ein bisschen teuer“, kommentiert Nanninga.
Ulrike Bendrat