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Archiv-Artikel

Streikfront bröckelt

In Venezuela geht den Unternehmern, die sich am Streik gegen Präsident Chávez beteiligen, langsam die Luft aus

BUENOS AIRES taz ■ Ein Monat Generalstreik und Demonstrationen gegen Präsident Hugo Chávez – und langsam werden die Unternehmer offenbar des Streiks müde. Seit Anfang Dezember sind die Türen vieler Geschäfte, Fabriken und Werkstätten geschlossen, weil ihre Besitzer Chávez stürzen wollten. In dieser Zeit haben sie aber nicht einen Bolívar verdient und das lukrative Weihnachtsgeschäft verpasst. Kein Wunder, dass jetzt viele von ihnen wieder eröffnet haben, da ihnen der finanzielle Ruin droht.

Die Situation in den mittelständischen Betrieben in Venezuela ist ohnehin kritisch genug: Allein im vergangenen Jahr sind dort über eine halbe Million Arbeitsplätze verschwunden, weil zahlreiche Firmen pleite gingen. Daher haben die Chávez-Gegner beschlossen, die Streikfront bröckeln zu lassen. Ausnahme: Der Erdölsektor. Dort soll weiterhin alles blockiert werden.

Juan Fernández, Kopf der aufständischen Ölarbeiter, sagt: „Der Streik in der Ölindustrie ist der Schlüssel zum Sturz von Chávez.“ Denn die Regierung verliert wichtige Exporteinnahmen und kann selbst in der Hauptstadt Caracas nicht mehr alle Tankstellen mit Sprit beliefern. Das Land ist in der Zange der Opposition: Da in Venezuela fast der komplette Gütertransport auf der Straße abgewickelt wird, droht in zahlreichen Städten der Versorgungsnotstand.

Doch die Gegner von Hugo Chávez wollen weitermachen, bis der Präsident weg ist. Mindestens bis zu einem von der Regierung abgelehnten Referendum am 2. Februar.

Am Mittwoch rief die Opposition zum zivilen Ungehorsam gegen Chávez auf. Dazu gehört auch die Verweigerung von Steuerzahlungen. Carlos Ortega, mächtiger Gewerkschaftsboss und Oppositionsführer, nannte Chávez „einen traurigen Unfall“ der venezolanischen Geschichte. Er rief seine Landsleute dazu auf, weiter zu streiken. Schon jetzt sehen Banker in Venezuela die öffentlichen Bilanzen des Landes in Gefahr, wenn der Streik noch länger als 45 Tage fortdauert.

INGO MALCHER