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Dialog statt Gewalt

Nach Tagen der Eskalation scheint sich die Lage in Bolivien zu entspannen. Regierung und Opposition reden wieder

PORTO ALEGRE taz ■ Der Konflikt zwischen der bolivianischen Regierung und der rechten Opposition in den Tieflandprovinzen hat sich leicht entspannt. In der Nacht auf Montag trafen sich Vizepräsident Álvaro García Linera und der oppositionelle Gouverneur der Provinz Tarija, Mario Cossío, erneut zu Gesprächen im Regierungspalast von La Paz. Ebenso wie acht seiner Kollegen wollte Präsident Evo Morales an einem Krisengipfel der südamerikanischen Staatschefs teilnehmen, der am Montagnachmittag (Ortszeit) in Chiles Hauptstadt Santiago stattfinden sollte.

Nach der zweiten Geprächsrunde erklärte Cossío, man habe sich auf 80 Prozent eines Basisabkommens für einen „tiefgreifenden Dialog“ geeinigt. Wie bereits am Samstag wolle er sich vor der nächsten Runde mit seinen konservativen Kollegen beraten, sagte Cossío: „Es läuft gut, wir machen Montagnacht weiter, sobald der Präsident aus Chile zurück ist.“

Am Sonntag hatte der „Demokratisch-nationale Rat“, in dem die Gouverneure und „Bürgerkomitees“ der fünf oppositionell regierten Provinzen zusammengeschlossen sind, die Aufhebung von Straßensperren angekündigt. Branko Marinkovic, einer der Anführer der gewalttätigen Ausschreitungen in der östlichen Provinz Santa Cruz, bezeichnete die Maßnahme als ein „Zeichen des guten Willens“. Die örtlichen Anführer der Proteste in der erdgasreichen Chacoregion, wo die Blockaden seit drei Wochen anhalten, zögerten zunächst noch.

Vor dem Treffen mit Cossío hatte Vizepräsident García Linera klargestellt, dass der Gouverneur der Amazonasprovinz Pando, Leopoldo Fernández, sich für ein Massaker an regierungstreuen Kleinbauern vom vergangenen Donnerstag verantworten müsse. Laut Medienberichten starben dabei mindestens 30 Menschen. Veimar Becerra, der für die Regierungspartei MAS im Verfassungskonvent saß, geht sogar von 70 Toten aus.

Für das Massaker soll Gouverneur Fernández peruanische und brasilianische Pistoleros verpflichtet haben, so Becerra. Verteidigungsminister Walker San Miguel sagte, die Killer seien nach Brasilien geflohen und bat die brasilianischen Behörden um Hilfe. Der örtliche Landarbeiterverband sprach am Sonntag von 106 Vermissten in der schwer zugänglichen Urwaldregion.

Über Pando war am Freitagabend der Ausnahmezustand verhängt worden. Gouverneur Fernández, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, wies die Anschuldigungen zurück und machte die Regierung für das Blutbad verantwortlich. Durch den Ausnahmezustand wolle die Regierung die wirklichen Tathergänge vertuschen, sagte Fernández. Bei Redaktionsschluss befand er sich noch auf auf freiem Fuß.

In dem Dorf Filadelfia 45 Kilometer südöstlich der Provinzhauptstadt Cobija wurde am Sonntagmorgen das Rathaus gesprengt. Stunden später rückten Soldaten ein und nahm zwei Verdächtige fest. GERHARD DILGER

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