: Bush sieht „Tag der Abrechnung“
US-Militäraufmarsch und Drohungen Richtung Bagdad gehen weiter. Die UN-Waffeninspektoren verrichten derweil ihre Arbeit – ungehindert, und bislang, wie es scheint, ohne Massenvernichtungswaffen oder entsprechende Produktionsstätten zu finden
von BERND PICKERT
Während der Aufmarsch der US-Truppen in der Golfregion unvermindert weitergeht, hat US-Präsident George W. Bush den Ton gegenüber dem irakischen Staatschef Saddam Hussein noch einmal verschärft. Die Welt habe gesehen, dass die Erklärung zum irakischen Waffenprogramm falsch gewesen sei, sagte Bush am Donnerstag vor Journalisten auf seiner Farm in Texas. Und wenn die UN-Waffeninspekteure Experten interviewen wollten, säße stets eine Aufsichtsperson mit im Raum – insgesamt, so Bush, gebe es keine positiven Hinweise darauf, dass Saddam Hussein zur freiwilligen Entwaffnung bereit sei. Doch der „Tag der Abrechnung“, so Bush, sei nahe.
Zwar sagte Bush auch, er hoffe auf eine friedliche Lösung. Doch er drohte gleichzeitig erneut damit, dass, sollte der Irak seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, die USA an der Spitze einer Koalition mit militärischen Mitteln eingreifen würden. Es scheine, so Bush, als habe Saddam Hussein diese Message noch nicht vernommen.
Die Beobachtungen des US-Präsidenten widersprechen denen der Waffeninspektoren und des UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Annan hatte zum Jahreswechsel festgestellt, die Zusammenarbeit zwischen den Inspektoren und dem Irak verlaufe bislang reibungslos.
Chefinspektor Hans Blix kritisierte, der Irak sei in seiner 12.000-Seiten-Erklärung den Beweis schuldig geblieben, nicht mehr über Massenvernichtungswaffen zu verfügen. Dennoch erscheint die Feststellung Bushs, die Welt sei sich darin einig, dass die Erklärung falsch sei, zumindest verfrüht – nicht nur die irakische Regierung selbst dürfte derzeit noch anderer Meinung sein.
Mehr als 230 Standorte haben die UN-Inspekteure bislang untersucht – über mögliche Funde von Massenvernichtungsmitteln oder deren Produktionsstätten wurde bislang nichts bekannt. Zwar wird erst die Gesamtauswertung klare Erkenntnisse bringen, doch gegenüber der Washington Post bestätigte ein UN-Mitarbeiter unter der Hand, dass man bislang nichts gefunden habe: „Wenn wir einen Schuppen voller Scud-Raketen gefunden hätten, glauben Sie nicht, dass wir das dem Sicherheitsrat gemeldet hätten?“, sagte der Mitarbeiter dem Korrespondenten der Post.
Bis zum 27. Januar müssen die Inspekteure dem UN-Sicherheitsrat über ihre Arbeit und die Bereitschaft des Irak zur Zusammenarbeit abschließend berichten. Bereits in einer Woche muss Chefinspektor Hans Blix einen Zwischenbericht abliefern.
Die USA und Großbritannien haben zwar mehrfach angekündigt, den Inspektoren jene Geheimdienstinformationen zur Verfügung zu stellen, aus denen beide Regierungen in den vergangenen Monaten zwingend geschlossen hatten, dass der Irak über Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen verfüge. Ob das aber tatsächlich geschehen ist oder was bei den Überprüfungen herausgekommen ist, ist derzeit nicht bekannt.
Zwar erklärte die irakische Regierung in dieser Woche, die Inspektoren hätten inzwischen alle von den USA und Großbritannien benannten Fabriken besichtigt, ohne etwas zu finden. Doch Inspektorensprecher Ewin Buchanan widerspricht: „Es müssen noch viel mehr Fabriken inspiziert werden“, sagte er der Agentur AP.