: Türkei isoliert Chef der Zypern-Türken
Parteichef Erdogan verlangt Flexibilität für UN-Lösung. Präsident der Zypern-Griechen kandidiert erneut
ISTANBUL/BERLIN taz ■ Wenige Tage vor Beginn einer neuen UN-Verhandlungsrunde über das geteilte Zypern ist der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und dem Chef der türkischen Zyprioten, Rauf Denktasch, offen ausgebrochen. In Rize, dem von Zypern am weitesten entfernten Ort der Türkei, machte Tayyip Erdogan seinem Ärger über Denktasch Luft. Der Vorsitzende der Regierungspartei AKP stellte klar, was intern sowieso jeder weiss: Es sei keine Entscheidung von Denktasch allein, ob und wie in Zypern verhandelt wird. Er solle gefälligst seine Füße an den Verhandlungstisch bewegen. Die Gespräche unter Leitung eines UN-Vermittlers sollen nächste Woche fortgesetzt werden, bis zum 28. Februar soll ein Ergebnis vorliegen. Für 2004 ist bei einem Erfolg die Mitgliedschaft ganz Zyperns in der EU geplant.
Der derart kritisierte „Präsident“ Nordzyperns gab sich erstaunt. Man sei dabei, im Gespräch mit Vertretern aller Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen vorzubereiten. Zudem verstehe er den Ärger Erdogans nicht, schließlich tue er nichts anderes, als die seit Jahrzehnten festen türkischen Positionen zu vertreten. Ob man in Ankara auf Souveränität und Selbstbestimmung der Inseltürken keinen Wert mehr lege?
Die rhetorisch gemeinte Frage rührt an den Kern der internen Debatte in der Türkei und unter den türkischen Zyprioten. Deutlicher als zuvor sagte Erdogan in Rize, er teile die türkische Zypern-Politik der letzten 30 bis 40 Jahre, nach der Ankara ein besonderes Interesse an der Insel hat, nicht. Das gilt zwar für die gesamte Regierung, aber längst nicht für Präsident Ahmet Necdet Sezer und die türkischen Militärs. Insider berichten, dass bei der letzten grossen Zypern-Strategierunde in Ankara Außenminister Gül und Erdogan für eine Verhandlungslösung plädiert hätten, die Militärspitze und Sezer sich aber sehr zurückhaltend geäußert hätten. Noch ist das Militär, das 30.000 Soldaten in Nordzypern stationiert hat, nicht gewillt, die Vorstellung von der strategischen Notwendigkeit der Kontrolle der Insel aufzugeben.
Während Ende Dezember im türkischen Teil von Nikosia bei einer Demonstration fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung für einen Bundesstaat mit den Zyperngriechen auf die Strasse ging, versucht Denktasch seine Anhänger mit der Drohung zu mobilisieren, er werde zurücktreten, wenn Ankara ihn zwingen wolle, einen Vertrag zu unterzeichnen.
Auf der griechischen Seite Zyperns will Präsident Glavcos Klerides verhindern, dass während der Verhandlungen ein Kritiker der UN-Friedenslösung zum neuen Präsidenten gewählt wird. Für den 16. und 23. Februar stehen Wahlen an, und der bisherige Favourit Tassos Papadopoulos gilt als Gegner einer bundesstaatlichen Lösung. Gestern kündigte der 84-jährige Klerides seine erneute Kandidatur an. Er wolle aber nur 16 Monate im Amt bleiben, um in dieser Zeit eine Lösung des Zypern-Konflikts auszuhandeln. Unter den Insel-Griechen ist der UN-Plan umstritten, weil danach nicht alle Flüchtlinge sofort in den Norden zurückkehren können.
Klerides könnte Umfragen zufolge ein Sieg gegen Papadopoulos gelingen. Dieser kann wiederum auf die Unterstützung der postkommunistischen AKEL-Partei vertrauen. Dagegen wird Papadopoulos von linken Parteien unter den türkischen Zyprioten strikt abgelehnt.
J. GOTTSCHLICH/K. HILLENBRAND