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Archiv-Artikel

Polizei nahm Morddrohungen nicht ernst

Im Stalker-Prozess um die Tötung einer 33-jährigen Mutter muss der achtjährige Sohn gegen den Vater aussagen. Die Vernehmung wird zum Schutz des Kindes per Video durchgeführt. Vorwürfe gegen die Polizei werden bekräftigt

Der Prozess um die Tötung der 33-jährigen Aysin T. durch ihren Ex-Lebensgefährten Ali U. (37) verlangt allen viel ab. Und nun kommt es zu einem weiteren Härtefall. Der achtjährige Sohn der beiden, Dorganay T., muss als Kronzeuge gegen seinen Vater vor Gericht aussagen. Das hat das Landgericht am Dienstag beschlossen. Denn der Junge gilt als Tatzeuge des 26. März dieses Jahres und soll gegenüber Ts. älterer Schwester Aysen geäußert haben. „Ich hab‘ gesehen, wie Papa Mama erschossen hat.“

Um „schwerwiegende Nachteile“ vom Kind abzuwenden, so der Vorsitzender Richter Wolfgang Backen, wird es aber keine Vernehmung im Beisein der Beteiligten im Gerichtssaal geben. Das Verhör wird stattdessen audiovisuell durchgeführt. Während der Fragen der Prozessbeteiligten sitzt Dorganay mit Zeugenbetreuerin Gerda Rose-Guddusch und seiner Nebenklageanwältin Gabriele Heinecke in einem abgeschotteten Raum vor einer Video-Kamera.

Das Gericht hofft durch seine Befragung auch Aufschluss darüber zu bekommen, ob Ali U. tatsächlich der liebevolle Vater gewesen sei, – wie er vorgibt – dem Aysin T. das Kind vorenthalten wollte, oder ob es tatsächlich zu Gewaltexzessen des Kiez-Türstehers gegen seine „Ex“ im Beisein des Jungen gekommen ist.

So war Dorganay zugegen, als Ali U. am 5. Februar diese Jahres T. in ihrer Wohnung schwer misshandelt haben soll und während sie auch sonst geschlagen wurde, wie es die Schwester Aysen T. behauptet. „Er hat sie auch geschlagen, als das Kind auf dem Schoß saß.“ Bei Klassenkameraden hatte der Junge über die Morddrohungen berichtet. „Mein Papa will meine Mama umbringen,“ habe er gesagt, berichtet die Lehrerin.

Nach Angaben der Schwester dauerte das Stalker-Martyrium mehrere Monate, nachdem sich T. „seinen Gesetzen“ nicht mehr beugen wollte. SMS- und Handy-Terror, Verfolgungsfahrten und direkte Morddrohungen „Ich bringe Dich um“ und „Du wirst deinen Sohn nie wieder sehen, da du tot bist und wenn ich 20 Jahre in den Knast muss.“

„Wir waren sehr oft bei der Polizei berichtet Aysen T. Als die Getötete Aysin T. sich im Dezember vorigen Jahres entschlossen hatte, eine Einstweilige Verfügung zu beantragten, hätte der Kripobeamte ihr abgeraten. „Der ist doch zahm, der will doch nur seinen Sohn sehen“, sei ihr gesagt worden. „als wäre meine Schwester die Täterin“, sagt Aysen T. Sie sei aufgefordert worden, „zu deeskalieren“.

„Obwohl er ihr so viel angetan hat, das Kind hätte Aysin ihm nie verwehrt“, beteuert Aysen T. „Sie wollte nicht, dass das Kind sagen muss: ‚ich hab keinen Vater“‘. Dennoch habe die Frau große Angst vor Ali U. gehabt. „Sie ist für ihren Sohn gestorben“

KAI VON APPEN