: Rot-Rot studiert Gebühren
SPD-Fraktionschef will Studiengebühren einführen, PDS-Wissenschaftssenator ist zur Debatte „über die Finanzierung des Gesamtsystems Bildung“ bereit. Kritik von Fachpolitikern beider Fraktionen
von SABINE AM ORDE
Im rot-roten Senat bahnt sich eine Debatte über die Einführung von Studiengebühren an. Nachdem sich einige führende Sozialdemokraten dafür ausgesprochen haben, zeigt auch die PDS-Front dagegen erste Risse. „Ich bin offen in dieser Frage, was das Nachdenken angeht“, sagte Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) gestern der taz. „Es muss eine Debatte über die Finanzierung des Gesamtsystems Bildung von der Kita bis zur Hochschule geführt werden.“ Diese müsse insgesamt sozial gerecht sein.
Dabei schloss Flierl auch Studiengebühren, etwa in Form einer Abgabe von Akademikern, die sich nach dem Studium beruflich etabliert haben, nicht aus. Einen ähnlichen Vorschlag hatte Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) kurz vor Weihnachten gemacht. Flierl: „Das ist aber nur bundesweit einheitlich denkbar.“
Eine schnelle Einführung von Studiengebühren in Berlin schloss der PDS-Wissenschaftssenator aber aus. „Da gilt die Koalitionsvereinbarung.“ Und in der steht, dass der rot-rote Senat „an der im Berliner Hochschulgesetz festgeschriebenen Studiengebührenfreiheit festhält“.
Für SPD-Fraktionschef Michael Müller ist das kein Hindernis, um das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Müller hat sich am Wochenende für die Einführung von Studiengebühren stark gemacht. „In Zeiten, in denen über die Erhöhung von Kita-Gebühren nachgedacht wird, muss man auch über Studiengebühren diskutieren“, sagte er in der SFB-Abendschau. „Das wird sicher eine ernsthafte Diskussion für das Jahr 2003 werden.“ Zuvor hatte bereits Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) Studiengebühren gefordert. Und Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hatte sich zwar nicht dafür ausgesprochen, aber in der Debatte um Kitagebühren erklärt, es sei sinnvoller, Kosten am Ende und nicht am Anfang des Bildungsweges zu erheben. Um das Haushaltsloch zu stopfen, werden höchstwahrscheinlich in Kürze die Kitagebühren erhöht.
Bei den Fachpolitikern beider Fraktionen regte sich gestern bereits die Kritik. „Ich halte davon gar nichts“, sagte der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD, Bert Flemming, und verwies auf das Verbot von Studiengebühren, das Rot-Grün auf Bundesebene im vergangenen Jahr durchgesetzt habe. Natürlich müsse diskutiert werden, wofür in der Bildung Geld ausgegeben wird. „Aber die Debatte um Studiengebühren ist extrem verkürzt.“ Ähnlich äußerte sich auch sein Kollege von der PDS, Benjamin Hoff: „Studiengebühren sind ausgeschlossen, es gilt der Koalitionsvertrag.“