: Aussicht auf Besserung
Bei den deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf sorgen ein neu geschaffenes Paar, eine Multi-Meisterin und bewährte Größen für Hoffnungsschimmer in der zuletzt schwer kriselnden Sportart
aus Oberstdorf DORIS HENKEL
Nach Tagen der Tristesse fiel endlich wieder Licht ins Tal. Für ein, zwei Stunden brach die Sonne durch die Wolken und alle sahen erleichtert zum Himmel. Halleluja, ein Zeichen. Und das ist nicht nur eine kleine meteorologische Schwärmerei aus dem Allgäu, sondern auch eine Zustandsbeschreibung des deutschen Eiskunstlaufs bei den Meisterschaften des Jahres 2003. Die Großwetterlage mag noch immer unübersichtlich sein, aber es gibt deutlich Aussicht auf Besserung.
Die schönste Geschichte des Wochenendes ist die der Eva-Maria Fitze (20) und ihres Partners Rico Rex (26). Erst seit knapp einem Dreivierteljahr laufen die beiden zusammen, aber was mehr zählt als der Titel, ist die Art, wie sie ihn gewannen. Mit einer engagierten, anspruchsvollen Kür von internationalem Niveau; nicht viele Paare in der Welt zeigen zwei verschiedene Dreifachsprünge. Natürlich steht Eva-Maria Fitze dabei im Mittelpunkt. Sie war 15, als sie vor fünf Jahren in Oberstdorf ihren ersten Titel als Einzelläuferin gewann, beim zweiten an gleicher Stelle war sie 17, ehe sie für mehr als ein Jahr vom Eis verschwand, weil sie unter Bulimie litt und nicht mehr leben konnte und wollte in der gefährlichen Umgebung des Eises. Als sie bei den Meisterschaften 2001 nach langwieriger Therapie zurückkehrte, war das ein Sieg von unschätzbarem Wert.
Allein zu gewinnen ist schön, das wusste sie vorher schon, aber zu zweit bringt es doppeltes Glück – das weiß sie jetzt. Ein Glück, das sie ohne die Hilfe von Ingo Steuer nicht gefunden hätte. Steuer, gemeinsam mit Mandy Wötzel Paarlauf-Weltmeister 1997 – und damit der letzte große Sieger in der jüngeren Geschichte des deutschen Eiskunstlaufs – hatte die Idee, die Einzelläuferin Fitze aus München als Partnerin für Rico Rex nach Chemnitz zu holen. Was ihn glauben ließ, dass die beiden zueinander passen würden? „Instinkt“, sagt er lächelnd. Steuer ist mächtig stolz auf seine Idee und auf das, was er mit den beiden in kurzer Zeit daraus gemacht hat.
Zwei Paare betreut er, leistet sich dieses Vergnügen mit einem Teil der Einnahmen aus den regelmäßigen Show-Auftritten mit Mandy Wötzel, und es ist dieses Engagement, das der neue DEU-Präsident Reinhard Mirmseker vorbildlich nennt. In Chemnitz trainieren die neuen Meister mit den Zweiten von Oberstdorf, Nönnig/Bleyer, und in diesem Quartett fühlt sich Fitze so wohl und gut aufgehoben wie nie zuvor. Als sie sagt: „Ich bin dankbar, dass mich Ingo an die Hand genommen und gesagt hat: Komm, jetzt mach mal“, schimmert es feucht in ihren Augen.
Doch es bleibt nicht bei der Freude über das eigene Glück. Denn die beste Freundin aus Münchner Tagen, Annette Dytrt, hat seit diesem Wochenende eine ziemlich einmalige Sammlung von Titeln beieinander. Weil sie glaubte, im Heimatland ihrer Eltern bessere Chancen auf dem Eis zu haben, war sie vor fünf Jahren in die Tschechische Republik gezogen, wurde dort tatsächlich auch Meisterin, kehrte aber mit Heimweh zurück nach München. Vor ein paar Wochen wurde sie in Paris französische Meisterin – der deutsche und der französische Verband schicken seit einiger Zeit gegenseitig Läufer zu nationalen Meisterschaften – seit Samstag ist sie nun auch deutsche Meisterin, und es gibt keinen Zweifel, dass ihr dieser Titel in der Sammlung der liebste ist.
Was sonst noch war? Susanne Stadlmüller leistete sich drei Wochen nach dem spektakulären Wechsel zu Karel Fajfr zu viele Fehler, um mehr als Platz fünf zu verdienen. Die Eistänzer Kati Winkler und René Lohse erlebten gleich zweimal das seltene Glück, vom Preisgericht mit der Traumnote 6,0 verwöhnt zu werden – nach dem Originaltanz und nach der Kür.
Und dann, obwohl die Sonne längst verschwunden war, wurde es doch noch einmal warm und hell. Silvio Smalun (23) aus Oberstdorf lief so schön und gut und ausdrucksstark wie seit vielen, vielen Jahren in deutschen Landen keiner mehr und gewann zur allgemeinen Begeisterung vor Stefan Lindemann. Der verlor zwar nach einem Jahr voller Schwierigkeiten den Titel, aber mit einem mutigen Auftritt gewann er eine kräftige Dosis neuer Zuversicht.