: Hart ins Gericht gegangen
Während bei den Österreichern die jungen Springer ganz vorne landen, herrscht im deutschen Team vor dem heutigen Schlusstag der Vierschanzentournee Unzufriedenheit mit dem Nachwuchs
aus Bischofshofen KATHRIN ZEILMANN
Wie wurden da schon die Messer gewetzt: Die Österreicher, von der Bild-Zeitung „Bösis“ genannt, blasen zum Angriff auf Deutschlands Schanzen-Held Sven Hannawald. Die Vierschanzentournee – ein deutsch-österreichisches Duell. Nur dumm, dass ein Finne voranfliegt. Janne Ahonen hat das Springen in Innsbruck gewonnen, vor dem heutigen Schlusstag in Bischofshofen führt er mit rund 26 Punkten vor Hannawald. Und Hannawald hat in Innsbruck am Bergisel, jener futuristisch anmutenden Schanze, auf die die Österreicher so stolz sind, im ersten Durchgang gepatzt. Einen Absprungfehler hat er begangen, im zweiten Durchgang sprang er doch noch auf Rang vier. Und als die Dämmerung über die Tiroler Berge hereinzog, bilanzierte er: „Jetzt erst weiß ich, was ich im letzten Winter eigentlich geschafft habe.“ Damals hatte Hannawald alle vier Tourneespringen für sich entschieden.
Mittlerweile haben mit Hannawald (Oberstdorf), Peterka (Garmisch-Partenkirchen) und Ahonen (Innsbruck) drei verschiedene Springer die bisherigen drei Wettbewerbe gewonnen. Und wenn die Sieges-Dominanz des Sven Hannawald nicht mehr allzu hell strahlt, wird im Hintergrund sichtbar, dass im deutschen Skispringen nicht alles perfekt ist. Denn während die Österreicher vier Leute unter den ersten zehn der Gesamtwertung haben und einen erfolgreichen Nachwuchsmann nach dem anderen aus dem Hut zaubern – Florian Liegl, den Zweiten von Innsbruck zum Beispiel –, ist es derzeit schlecht bestellt um junge Springer im deutschen Team. Stephan Hocke etwa, im vergangenen Winter Gewinner des Weltcups von Engelberg und Mannschaftsolympiasieger, ist in dieser Saison eher Hinterher- als Hoffnungsspringer. Bundestrainer Reinhard Heß hat den Oberhofer Abiturienten jetzt erst einmal aus der Weltcup-Mannschaft genommen, Hocke solle gefälligst in Ruhe trainieren.
Die Namen Stefan Pieper, Frank Ludwig oder Maximilian Mechler tauchen nur sporadisch auf, Erfolgserlebnisse im Weltcup gibt es für die jungen Talente nicht. „Die Burschen sind einfach wahnsinnig nervös“, sagt Heß. Wie er ihnen die Aufregung bei großen Wettbewerben nehmen will, verrät er nicht. Nur im Falle von Georg Späth, dem 21-jährigen Oberstdorfer, gesteht der Bundestrainer: „Mit ihm sind wir hart ins Gericht gegangen.“ Einmal Platz 9 und einmal Platz 14 in Trondheim sind seine besten Resultate der laufenden Saison, in der Tourneegesamtwertung ist er 19.
Und Michael Uhrmann, zu Beginn des Winters noch auf dem Podest platziert, ist wieder auf dem Boden der Realität angekommen. Bei der Tournee läuft es nicht rund, vor dem Abschlusswettbewerb liegt er auf Platz 16. Ob Martin Schmitt und Hannawald schuld sind? Denn als die beiden Stars in Trondheim fehlten, hatte der Bayer seine besten Ergebnisse. „Quatsch“, sagt Uhrmann. „Ich bin eigenständig. Ich schaue nicht auf andere, sondern auf mich.“ Woran es aber liegt, dass seine Form nun nachgelassen hat, weiß er nicht.
Wenn er ratlos und müde durch den Auslauf stapft, ist Christof Duffner richtig zu bedauern: Er hatte sich bei der Saisonvorbereitung den Oberarm gebrochen und versucht jetzt, sich nach der Verletzungspause wieder an die Weltcup-Mannschaft heranzukämpfen. Der Erfolg lässt aber auf sich warten. „35 Schneesprünge sind eigentlich zu wenig“, sagt der Schwarzwälder. 31 Jahre ist er alt, doch mit hinteren Platzierungen will er sich nicht aus dem Weltcup verabschieden und seine Laufbahn beenden: „Ich will es noch einmal packen.“
Die Österreicher können über die Sorgenfalten des deutschen Kollegen Heß nur schmunzeln, müssen sich aber von ihm die Aussage gefallen lassen, das erfolgreiche deutsche System kopiert zu haben: Stützpunkte, Perspektivkader und ein Cheftrainer mit der Aura einer väterlichen Autoritätsperson – im Falle Österreichs Hannu Lepistö, der ehemalige Trainer von Toni Nieminen. Durch die österreichischen Erfolge will sich Heß nicht unter Druck setzen lassen, die Nachwuchsarbeit in Deutschland funktioniere, Leistungsträger habe man immer ersetzen können, sagt Heß. Eine Diskussion um das Nachwuchskonzept brauche man nicht anzuzetteln.