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Archiv-Artikel

CSU will Union nach rechts zerren

Christsoziale mit neuem Vorstoß gegen Zuwanderung. Migranten sollen weniger Sozialleistungen kriegen und „christlich-abendländische“ Werte akzeptieren. CDU-Fraktionsvize Bosbach stimmt zu. Demograph Münz wehrt sich gegen falsche Zitate

von LUKAS WALLRAFF

Im Streit um die Zuwanderung geht die CSU gleich zu Beginn des neuen Jahres in die Offensive. Unter dem Motto „Zuzug begrenzen – Asylmissbrauch stoppen“ haben die zuständigen CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann und Wolfgang Zöller ein Positionspapier verfasst. Es soll auf der heute beginnenden Klausurtagung in Wildbad Kreuth beschlossen werden.

„Wir verkraften keine weitere Zuwanderung“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Von der CDU kam bereits Zustimmung. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), stellte nach der Lektüre fest: „Das entspricht unserer Linie.“ Das CSU-Papier sei „eine Zusammenfassung dessen, was bei uns in der Debatte von besonderer Bedeutung ist“, sagte Bosbach der taz.

In ihrem Papier stellen die CSU-Abgeordneten fest: „Von Zuwanderung profitieren in erster Linie die Zuwanderer, nicht der Staat.“ Neben einer klaren Ablehnung des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes fordern sie Kürzungen bei den Sozialleistungen für Migranten. „Es kann nicht sein, dass Ausländer und Asylbewerber in Deutschland unverändert Leistungen erhalten, obwohl viele Bevölkerungsgruppen Einschnitte in den Sozialsystemen tragen müssen.“

Im Integrationsteil des CSU-Papiers frischen die Autoren die „Leitkultur“-Debatte auf. „Ausländer müssen die christlich-abendländische Werteordnung akzeptieren und sich in Deutschland einfügen.“ Der rot-grünen Bundesregierung wird in dem Papier vorgeworfen: „Deutschland soll nach dem Willen von Rot-Grün ein multi-kulturelles Einwanderungsland werden.“

Ziel des Papiers ist es offenbar, die gesamte Union auf eine kompromisslose Haltung im Zuwanderungsstreit mit der Bundesregierung festzulegen. Kurz vor der Klausurtagung der CSU forderte Landesgruppenchef Michael Glos die Schwesterpartei CDU auf, bei dem klaren Nein der Union zum rot-grünen Zuwanderungsgesetz zu bleiben. Es gebe vor allem in den Bundesländern mit einer großen Koalition „immer eine latente Gefahr“, dass die CDU dem Wunsch nach einem Kompromiss mit der SPD nachgebe, sagte Glos.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, betonte, ein Kompromiss sei nicht in Sicht, da das rot-grüne Gesetz Zuwanderung fördere, statt sie zu begrenzen. „Unsere Forderungen liegen auf dem Tisch. Die Regierung muss jetzt auf uns zukommen“, erklärte Ramsauer. „Wenn die Bundesregierung das Zuwanderungsgesetz unverändert wieder einbringt, dann werden sich die unveränderten Positionen wieder abbilden.“

Auch Bosbach sagte, er sei erst dann zu neuen Gesprächen bereit, wenn Rot-Grün neue Angebote mache. „Alles andere wäre Zeitverschwendung.“ Sollten die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz scheitern, kann sich Bosbach allerdings eine Einigung über ein Integrationsgesetz vorstellen. „Da liegen unsere Vorstellungen nicht ganz so weit auseinander.“

Um ihre Ablehnung des Zuwanderungsgesetzes zu begründen, operiert die CSU auch mit originellen Zahlen. „Bis 2005 rechnet der Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz mit einem bundesweiten Ausländeranteil von 18 bis 20 Prozent“, heißt es in dem CSU-Papier. In Städten wie Frankfurt, Hamburg und München sei sogar ein Ausländeranteil „von über 50 Prozent“ zu erwarten. Dagegen verwahrte Münz sich gestern: „Das habe ich nie gesagt.“ Nach seiner Einschätzung, so Münz zur taz, werde sich bis 2005 „so gut wie nichts an dem Ausländeranteil verändern“. Und der beträgt bundesweit etwa 9 Prozent.