Die Studi-Lieblinge fallen um: PDS für Bezahlstudium

Erstmals lehnt ein PDS-Politiker Studiengebühren nicht mehr strikt ab – es ist ausgerechnet Thomas Flierl, der einzige Hochschulminister der PDS

„Aber niemals, nicht ein einziges Mal, hatte ich bei der Hochschulpolitik der PDS im Bundestag das Gefühl, sie ginge irgendwo in die falsche Richtung.“ Hochschulpolitische Aktivistin aus Duisburg

Es war eine Art Liebesbeziehung, die politisch aktive Studierende und die Postsozialisten verband. Die PDS unterstützte nicht nur moralisch den Kampf gegen Studiengebühren. Ihre Referenten versorgten die Asta-Fritzen quer durch die Republik mit wichtigen Uni-News aus Regierung und Parlament. Und wo man auch hinkam in den verrauchten Stuben der Studentenvertreter, es gab beißenden Spott auf Grüne und Sozis – und bedingungslose Hingabe für die hochschulpolitischen Positionen der PDS.

Aus. Vorbei.

Mit zwei Sätzen hat Thomas Flierl die Liaison beendet. Flierl, Mitglied der PDS und Wissenschaftssenator in Berlin, sagte zum Thema Studiengebühren in einem Zeitungsinterview: „Ich bin offen für diese Frage.“ Und: „Wenn es zu Studiengebühren käme, dürften diese nicht sozial ausgrenzend sein.“ Schon liefen die Asta-Druckmaschinen an, wurden die berühmt-berüchtigten Protestmails versandt.

Die Demokratische Linke, eine Splittergruppe des linken Studentenflügels, verkündete: „Sollte sich diese Position in der PDS tatsächlich durchsetzen, erwiese sie sich … erneut als willfährige Exekutorin der Sachzwänge.“

Auch bei der studentischen Zentralstelle zur Verhinderung von Studiengebühren, dem Bonner „Aktionsbündnis“, findet man den PDS-Schwenk gar nicht lustig: „Das schwächt unsere Position erheblich“, sagte ABS-Geschäftsführer Klemens Himpele der taz.

Allein die Allgemeinen Studentenausschüsse (Asten) in den Uni-Städten bleiben halbwegs locker. „Es ist schade, dass die Leute schon unter vermeintlichen Sachzwängen umkippen“, meint Matthias Altmeyer vom Asta in Konstanz. „Aber unser Kampf gegen Studiengebühren wird weitergehen, weil wir finden, dass er richtig ist.“ Die Konstanzer richten sich, genau wie ihre KommilitonInnen in Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe, gegen die Einführung des Bezahlstudiums in Baden-Württemberg. Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hat jüngst seinen Wissenschaftsminister angewiesen herauszufinden, was Uni-Gebühren dem Land finanziell brächten.

So cool die Konstanzer sich geben, der Schwenk von Thomas Flierl markiert einen Wendepunkt in der Gebührendebatte. Der PDS-Mann, der sich bislang stets eindeutig gegen jede Form von Studiengebühren aussprach, bemerkte zwar auch diesmal, dass der rot-rote Senat der Hauptstadt im Prinzip weiter gegen Gebühren sei. Aber mit Flierl ist die politische Farbenlehre „pro Studiengebühren“ nun erstmals komplett. Jetzt hat jede halbwegs wichtige deutsche Partei einen nahmhaften Vertreter, der das Bezahlstudium okay findet.

Die Union erhebt Langzeitgebühren und klagt mit mehreren Landesregierungen gegen das Gebührenverbot der rot-grünen Bundesregierung. Die FDP ist ohnehin dafür. Auch die Grünen haben mit den Studienkonten ein Modell im Angebot, das überlanges Studieren mit Gebühren belegt.

Besonders bitter ist für die Studis, dass wichtige SPD-Kämpen das Thema als regelrechten Wahlkampfrenner entdeckt haben. Wolfgang Clement (SPD) verkündete mitten im NRW-Wahlkampf die Einführung von Strafgebühren für Langstudierer – und gewann. Ministerpräsident Sigmar Gabriel, der in vier Wochen in Niedersachsen jede Stimme nötig hat, preist die „Akademikersteuer“ als soziales Gebührenmodell. Seine Botschaft an die Wähler: „Wer einen Job bekommt, zahlt – nach dem Studium.“

Es ist kein Wunder, dass solche Positionen beim Wähler nicht abschrecken, sondern ziehen. In Berlin beispielsweise steht nun erneut die Erhöhung von Kita-Gebühren vor der Tür. Zwischen 10 und 100 Prozent sollen die Preise für die Betreuung der Kiddies steigen. Ein Kita-Platz kostet bislang bis zu 290 Euro – im Monat. Studieren schlägt mit 50 Euro zu Buche – für sechs Monate. Zuzüglich der Zwangsabgabe für den Asta. CHRISTIAN FÜLLER