: Schenken und denken
Oldenburger Abfallwirtschaftsbetrieb und Umweltwerkstatt haben ein ungewöhnlich erfolgreiches Agenda-21-Projekt gegründet: Der „Verschenkemarkt“ fördert den Konsum und schützt die Rohstoffe
Eine Menschenmasse steht vor dem stillgelegten Hallenbad in Oldenburg. Diszipliniert warten Alt und Jung vor den Schaufenstern und begutachten das dunkelgrüne Geschirr und die Fahrradteile hinterm Glas. An der Tür hängt ein Zettel: „ Bitte nicht drängeln und schubsen.“
Um kurz vor Zwölf erscheint dann die Dame mit dem Schlüssel. Es ist Käthe Nebel. Mit Rucksack und weißer Wollmütze steht die 72-Jährige zwischen den Wartenden, die alle größer sind als sie. In der Hand hält sie eine Papierrolle, die ihre erhobene Stimme im Takt begleitet: In der letzten Sitzung der Agenda 21-Gruppe „Abfallvermeidung und Ressourcenschutz bei Konsumgütern“, habe man die neuen Bedingungen für den Verschenkmarkt festgelegt. „Jeder darf nur drei Teile mitnehmen – außer Weckgläsern und Büchern“ liest sie ab. So wolle man vermeiden, dass einzelne Personen wiederholt die wertvolleren Gegenstände aus dem Laden schleppen, um sie dann am nächsten Wochenende auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Die Gruppe um sie herum stimmt nickend zu. Dann schließt sie die Tür auf und alle strömen in die vier großen Räume unter dem Hallenbad, in denen Bücher mit goldenem Aufdruck, Bast-Brotkörbe, weiß-grün gestreifte Pullover und Lampenschirme aus der vorletzten Ikea-Saison aufgereiht sind.
Der Verschenkmarkt ist ein Projekt der Lokalen Agenda 21. In Zusammenarbeit mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb und der Umweltwerkstatt der Stadt Oldenburg, organisieren etwa 12 ehrenamtliche Mitarbeiter vier Mal die Woche die Abgabe und Annahme von gebrauchten Waren. Die Idee: Wer etwas wegschmeißen möchte, das noch gut erhalten ist, bringt es zum Verschenkmarkt. Dort wird es dann an Andere umsonst abgegeben.
Erklärtes Ziel ist die Abfallvermeidung. Die Idee stammt von der Multi-Aktivistin Nebel. Neben ihrem Engagement in der Anti-Atom- und Friedensbewegung fing die ehemalige Lehrerin vor 30 Jahren an, vermeintlichen Müll zu sammeln und an Bedürftige abzugeben. Irgendwann war ihr Keller voll und sie ging auf den Flohmarkt, um die Sachen zu verschenken. Diese Anfänge wurden dann von der Agenda 21 Projektgruppe aufgegriffen und weiterentwickelt.
Einer der pro Öffnungstag etwa 100 Besucher hat auf dem Tapeziertisch eine einfache, grüne Bierflasche gefunden, strahlend nimmt er sie an sich und fragt, ob er sie mitnehmen dürfe. Hier wird klar, dass im Verschenkmarkt jeder noch so unscheinbare Artikel seinen Besitzer findet. Zwischen Topfdeckel und Kinderspielzeug steht eine junge Frau und liest das Zitat Senecas an der Wand: „Reich ist, wer viel kann und wenig bedarf“.
Seit März 2002 stellt die Stadt das alte Hallenbad zur Verfügung. Jetzt haben sich aber Investoren für das Gebäude gefunden – der Abriss steht bevor. Doch die Gruppe sei zuversichtlich, dass es weitergehe und die Stadt Ausweichmöglichkeiten anbieten könne, so Marc Moog, zuständig für die Pressearbeit.
In Bremen gibt es eine ähnliche Einrichtung. Die Organisatoren des Bremer Umsonstladens in der Bauernstraße 2 sind eher politisch motiviert. „Markt – das hört sich zu kapitalistisch an.“ findet Ann-Kathrin Godt von der Bremer Commune, dem selbstorganisierten Stadtteilzentrum im Viertel. Der Umsonstladen sei gelebte Globalisierungskritik: „Es ist genügend gesellschaftlicher Reichtum da, der ist allerdings falsch verteilt“. Menschen aus allen Stadtteilen kommen, um hier Sachspenden abzugeben und abzuholen. Viel Schrott sei dabei, aber auch jede Menge Schätze.
Entstanden ist der Laden vor gut zwei Jahren. Jeden Samstag von 15 bis 18 Uhr hat er geöffnet, anschließend wird gemeinsam gekocht und gegessen. Aufkommende Probleme werden bei monatlichen Treffen besprochen. Wie geht man mit Junkies und Alkoholikern um, die die Einrichtung gern als täglichen Aufenthaltsort hätten? Wie verhindert man, dass Stammkunden sich ständig die hochwertigsten Gegenstände unter den Nagel reißen? Auch in Bremen gilt die Drei-Teile-Regel. Anders ist, dass jeder Nutzer eine sogenannte „Grundgebühr“ von 50 Cent zahlen muss. Besser aber fänden es Godt und Co., wenn man, anstatt zu zahlen, im Projekt mitarbeiten würde. Doch auch die 50 Cent Abgabe beeinträchtigt das große Ziel des Umsonstladens nicht: zu zeigen, dass Geld nicht alles ist. Godt ist überzeugt:„Es geht auch anders!“. Laura Ewert
Der Umsonstladen ist samstags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Der Verschenkmarkt ist dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr sowie mittwochs und samstags von 12 bis 14 Uhr geöffnet.