: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Als in den Siebzigerjahren die Animation der Disney-Zeichentrickfilme zu verflachen drohte, gab es einen seinerzeit Aufsehen erregenden Aufstand: Don Bluth und Gary Goldman, die führenden Köpfe einer neuen Generation von Zeichnern, forderten die Rückkehr zu den alten Disney-Werten und verließen 1979 gemeinsam mit fünfzehn weiteren Animatoren das Studio. Seither haben sich Bluth und Goldman immer wieder als ernst zu nehmende Disney-Herausforderer erwiesen, und zwar sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch kommerziell – „Feivel, der Mauswanderer“ und die Dinosauriergeschichte „In einem Land vor unserer Zeit“ gehörten an den Kinokassen zu den erfolgreichsten Nicht-Disney-Zeichentrickfilmen.
Allerdings verlief die Karriere der beiden Produzenten und Regisseure nicht eben glatt: Neben ihren großen Erfolgen stand die Pleite mit ihrem Studio in Irland (1993), und auch als Chefs des Animationsstudios der 20th-Century Fox in Phoenix waren sie nicht vom Glück verfolgt – nach nur zwei Kinoproduktionen („Anastasia“ und „Titan A.E.“) machte die Fox den Laden wieder zu.
Die Herzensprojekte des Duos zeigen, was dem großen kommerziellen Erfolg von Bluth und Goldman gelegentlich im Weg stand: der stete Glaube an ein schon etwas erwachseneres Publikum sowie eine damit einhergehende Tendenz zum Düsteren und zu gebrochenen Charakteren. Erkennbar ist dies auch in ihrem Debütfilm „Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH“ (1982), der Geschichte einer Mauswitwe, deren Heim von Erntemaschinen bedroht wird, und die sich deshalb Rat bei den großen Verwandten, den Ratten, einholt. Die Animation des Films ist fabelhaft – allerdings dürfte die Darstellung der geheimnisvollen Ratten-Unterwelt für ganz kleine Kinder bereits zu unheimlich sein, und die sozialkritischen Aspekte der Geschichte sind nicht immer leicht verständlich. Für die schon etwas älteren Kinder allerdings gilt: ein Meisterwerk – tatsächlich vergleichbar den alten Disney-Klassikern.
„Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH“, 9. 1.–12. 1. im Regenbogenkino
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Hans Castorp ist ein ziemlich gewöhnlicher Mensch. Nicht gerade dumm, aber doch eher uninteressiert am Lauf der Welt. Derart unbedarft fährt er auf drei Wochen in ein Schweizer Berg-Sanatorium, um seinen an TB erkrankten Vetter zu besuchen – und bleibt sieben Jahre, bis der Erste Weltkrieg seinem Aufenthalt ein Ende bereitet. Castorps Auseinandersetzung mit Krankheit, Körperlichkeit und Tod, die ihn auch die Liebe erfahren lässt, die „Erziehung“ des naiven Jünglings, der plötzlich alles hörens- und bedenkenswert findet, durch den Humanisten Settembrini und den scharfzüngigen Jesuiten Naphta – all dies hat Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg“ anschaulich beschrieben.
Manns feine sprachliche Ironie und seine Verwendung von Leitmotiven stellen eine filmische Adaption fraglos vor eine große Herausforderung. Hans W. Geißendörfer ist in seiner episodischen Verfilmung gleich einen anderen Weg gegangen: Elegant gleitet die Kamera (Michael Ballhaus) durch die Speisesäle und Salons und entwirft das Gesellschaftsporträt einer längst vergangenen Zeit, in dem Hans Christian Blech als aufgeräumter Chefarzt Behrens den schauspielerischen Glanzpunkt setzt.
„Der Zauberberg“, 11.1. in der Urania
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In den Jahren 1915/16 reüssierte die französische Schauspielerin Musidora als der vermutlich erste Vamp der Filmgeschichte: In dem bizarren Abenteuerserial „Les vampires“ von Louis Feuillade spielte sie in einem aufregenden hautengen schwarzen Kostüm die Verbrecherin Irma Vep.
1996 griff Olivier Assayas das Thema noch einmal auf: Er lässt den Nouvelle-Vague-Regisseur René Vidal (dargestellt von Jean-Pierre Léaud) an einem Fernseh-Remake des Stoffes arbeiten, in dem Hongkong-Star Maggie Cheung die Hauptrolle übernehmen soll. „Irma Vep“ ist ein Film über das Filmemachen: Die Kamera folgt den Protagonisten zur Arbeit, berichtet von den alltäglichen Problemen am Set, von Liebeleien und Eifersuchtsdramen. Maggie Cheung spielt sich dabei selbst: eine normale junge Frau, die nicht recht weiß, was die Franzosen eigentlich von ihr verlangen – und die in ihrer Irritation genau jene schlafwandlerische Ausstrahlung erzielt, die Vidal sich für seine Irma Vep vorgestellt hat.
„Irma Vep“ (OmU), 10.1. im Arsenal 1
LARS PENNING