Rossi im Schlaraffenland

Jörg Roßkopf spielt für zwei Wochen im japanischen Super Circuit des Kimono-Herstellers Atsunao Yukawa mit. Dabei trifft er auf die weltbesten Kollegen – und verdient so manchen Euro nebenbei

von HARTMUT METZ

Anfangs hielten Atsunao Yukawa alle für „einen Verrückten, dem bald das Geld ausgeht“. Der Kimono-Hersteller lockte die Pingpong-Artisten mit Millionenbeträgen ins Reich der aufgehenden Sonne, Rendite erwartete der steinreiche Japaner deswegen nicht. Die erwirtschaftete er schließlich mit seinem Textilkonzern. Yukawa scherte es deshalb auch wenig, dass sich zunächst nur 100 Zuschauer zu seinem „Super Circuit“ verirrten. Um der Tischtennis-Serie dennoch eine größere Medienpräsenz zu ermöglichen, kaufte er sich auch noch gleich bei einem Fernsehsender ein. Der Table Tennis Channel soll nun wieder alles bis zum 19. Januar in epischer Breite zeigen – nur nicht den bescheidenen Sportsfreund selbst. „Weil Herr Yukawa keine Fotos von sich mag, haben wir kein Bild von ihm“, bekam auch das Branchenfachblatt Deutscher Tischtennis-Sport mitgeteilt. Dafür gibt’s in den Hallen zwischen Sapporo und Kagoschima ab sofort alle Stars der schnellsten Ballsportart der Welt zu sehen, nur die besten Chinesen und der neue Weltranglistenerste Timo Boll widerstanden bisher den Verlockungen des „Schlaraffenlandes“, wie Steffen Fetzner den Super Circuit nach seinem Gastspiel bezeichnet. Nach Peter Franz, der momentan auf Platz zehn der Gesamtwertung liegt, zieht es nun auch Fetzners einstigen Doppelpartner beim WM-Erfolg 1989 und beim olympischen Silbermedaillengewinn 1992 in Barcelona, Jörg Roßkopf, gen Asien. Nur eine Woche weilte der deutsche Rekordnationalspieler bisher in Japan, weil ihn eine Nervenentzündung im Ellenbogen 13 Monate außer Gefecht setzte. Mit 15 Punkten liegt Roßkopf daher weit abgeschlagen auf Platz 29. Momentan führt der Koreaner Kim Taek Soo (493 Punkte) vor den ehemaligen Bundesligaspielern Kalinikos Kreanga (Griechenland/456), Petr Korbel (Tschechien/414) und dem Weißrussen Wladimir Samsonow (388).

Wie Vorjahresgewinner Jean-Philippe Gatien (Frankreich/10), dem ersten Tischtennis-Millionär, hat Roßkopf keine Chance mehr auf die 100 Millionen Yen (rund 800.000 Euro) für den Sieger. Aber obwohl die Spieler die teuren Hotels und Flugkosten selbst bezahlen müssen, wird sich für ihn der zweiwöchige Abstecher nach Japan lohnen. Jeder gewonnene Ballwechsel bringt schließlich Bares. Ein guter Aufschlag – schon sind in Sekundenschnelle 10.000 Yen (80 Euro) im Säckel; so bringt selbst ein verlorenes Match ein paar tausend Euro.

„In Japan ist es schön. Die besten Spieler treffen sich dort, trainieren gemeinsam, es macht Spaß – und im Super Circuit geht es um viel Geld“, zählt Roßkopf die vielen Vorteile seiner Reise auf. Das nationale Tischtennis-Denkmal musste mit geschätzten Jahreseinkünften von bis zu einer halben Million Mark nie am Hungertuch nagen, trotzdem sieht der 33-Jährige in Fernost die einmalige Gelegenheit, sich seinen Karriereabend zu versüßen: „Wenn ich gut spiele und alles gewinne, kann ich das Fünf- bis Sechsfache verdienen“, erklärt der ehemalige Europameister. Auch der Weltranglisten-55. Peter Franz, der über den japanischen Topspieler Koji Matsushita bei Atsunao Yukawa nachfragen ließ, ob er auch bei den 20 Turnieren im K.o.-Modus mitspielen dürfe, nennt die Teilnahme „ein Glück für jeden, weil jeder hier einiges mehr verdienen kann“.

Auch seine sportlichen Ambitionen fern des Super Circuit hat Roßkopf noch lange nicht begraben. Bei der EM im Frühjahr will er endlich mit der Mannschaft Gold holen. „Bis dahin muss ich fit sein“, sagt der Gönnerner beschwörend. Zusammen mit Boll wäre Deutschland dann kaum zu schlagen, nicht einmal von den alten Schweden. Seine Karriere will „Rossi“ bis 2005 fortsetzen. Ob er bei Vizemeister Gönnern bleibt, „steht in den Sternen. Der Bundesliga-Spielplan ist nächstes Jahr schwieriger.“ Offensichtlich hat ihn der ehemalige Weltcup-Sieger schon mit den 100 Tagen, an denen der Super Circuit läuft, verglichen.

Die Zweifel an Yukawas Seriosität sind bei den Pingpong-Assen derweil gewichen. Mittlerweile kommen schon mal über 1.000 Zuschauer in seine Tischtennis-Zentren, in denen der Kimono-Hersteller Platten zum Spielen vermietet. Der Textil-Mogul warf inzwischen auch eine eigene Tischtennis-Kollektion auf den Markt. Ob sich die Millionen jemals amortisieren? Atsunao Yukawa wird’s egal sein, ihm geht es offenbar um ganz anderes, wie Steffen Fetzner schildert: „Er spielt mit uns, geht mit uns anschließend zum Essen, trinkt zwei oder drei Bier und fährt dann mit dem Zug nach Hause.“