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Archiv-Artikel

„Grundsätzlich verkehrt“

Die deutschen Querfeldein-Radfahrer haben den Anschluss an die Weltspitze verpasst

BERLIN taz ■ Belgien, du hast es besser. Zumindest im Querfeldein-Radsport. Weltcuprennen finden dort 40.000 zahlende Fans, die letzte Weltmeisterschaft im heimischen Zolder sah nur Lokalmatadoren auf dem Podest, und als der Radrennfahrer des Jahres 2002 gekürt wurde, kam gleich hinter Paris-Roubaix-Sieger Johan Museeuw ein Crossspezialist als Zweiter ins Ziel, nämlich Mario De Clercq, der dreifache und amtierende Querfeldein-Weltmeister.

Von diesem Stellenwert kann die attraktive Stunden-Hatz über Stock, Stein und ein paar Hindernisse hierzulande derzeit nur träumen. Wofür auch der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) entscheidend Verantwortung trägt, wie Jens Schwedler glaubt. „Die Förderung wird vom BDR grundsätzlich verkehrt gemacht“, argumentiert der amtierende deutsche Cross-Meister, der letztes Jahr in Magstadt nach zweijähriger Wettkampfpause überraschend ganz nach oben aufs Treppchen steigen konnte. Was manchem Verbandsfunktionär gar nicht behagte. Denn immer wieder war der Mann aus Pinneberg mit öffentlicher Kritik am hiesigen Querfeldein-Betrieb aufgefallen, der nach der großen Ära der Klaus-Peter Thalers und Mike Kluges international längst nur noch „drittklassig“ ist, wie Burkhardt Bremer einräumt. Der Sportdirektor des BDR verwahrt sich freilich dagegen, „dass man den Verband in die volle Verantwortung nimmt“. Vielen Elite-Fahrern, will Bremer beobachtet haben, fehle vielmehr „einfach die große Motivation, besser zu werden“. In Belgien mache der Verband „ja auch keine großen Geschichten“. Was dort angesichts einer professionellen Infrastruktur mit zig Rennen und guten Startgeldern auch nicht nötig ist.

Im Vorfeld der deutschen Meisterschaft an diesem Wochenende in Kleinmachnow (Brandenburg) trauten sich nun auch andere Aktive aus der Deckung. Malte Urban, Cross-Meister des Jahres 2000 und inzwischen auch als Straßen-Profi beim Team Coast etabliert, äußerte Unverständnis darüber, dass der BDR immer noch auf die Mitarbeit von Mike Kluge verzichtet. Der Exweltmeister könne doch wie kein Zweiter die spezielle Technik in diesem „sehr komplizierten Metier“ (Urban) vermitteln. Dabei hatte es nach dem Comeback-Coup von Schwedler, der sich von Kluge zur Meisterschaft coachen ließ, zunächst nach einer Annäherung ausgesehen; für den BDR akkreditiert, reiste Kluge letzten Februar sogar als Beobachter zur WM nach Zolder. Doch man kam nicht zusammen. Kluge, so Bremer, wolle „nur beraten und motivieren“, der Verband aber brauche „einen Trainer, der Verantwortung in der Gesamtheit übernimmt. Sonst wird es zu Unstimmigkeiten kommen.“

Schwedler erinnert die missglückte Liasion auf beiden Seiten an „Kindereien“. Ein bisschen Spaß mit Kluge wäre gut, ein Kontrollturm ist besser: So gesehen hat auch die von Schwedler kritisierte Beschränkung der BDR-Förderung auf den Nachwuchs aus Verbandssicht ihre Logik. Schon jetzt schickt der BDR gelegentlich U23-Fahrer in Weltcuprennen, weil auch die Elite-Fahrer kaum über Platz 30 hinauskommen. Man könne, so Bremer, „mit jungen Leuten wesentlich besser operieren, über Trainingslager, die wir steuern können“. Es sei „einfacher, wenn alles in einer Hand liegt“. Dem hält Jens Schwedler entgegen, dass sehr wohl auch ältere Fahrer noch förderungswürdig seien; schließlich gebe es in seiner Disziplin „tausende Beispiele, dass man sein Leistungsniveau frühestens mit 28, 29 erreicht“. Er selbst ist eins davon: Am Sonntag will Schwedler seinen Titel verteidigen – mit 35 Jahren.

JÖRG FEYER