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Archiv-Artikel

Grüner Punkt: Mittelstand sieht rot

Das Müllmonopol müsse aufgehoben werden, fordern die Kleinen der Branche. Kartellamt sieht unlautere Machenschaften des grünen Punkts. Neues Verfahren könnte gelbe Tonne überflüssig machen. Neuer Chef beim Dualen System Deutschland

von HANNA GERSMANN

Um Deutschlands Müll tobt ein Machtkampf. „Schluss mit dem Müllkartell des grünen Punktes“, forderte gestern Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Damit greift er direkt die Duale System Deutschland AG (DSD) an. Sie ist die Hüterin des grünen Punktes und entsorgt über die gelbe Tonne leere Jogurtbecher, Pralinenschachteln oder Cremedosen. Bezahlt wird sie dafür von der Industrie – knapp 1,9 Milliarden Euro waren das im Jahr 2001. Für den Bundesbürger heißt das: rund 22 Euro pro Jahr.

Mit seiner Kritik steht Ohoven nicht alleine da. Vor zwei Jahren hatte bereits EU-Kommissar Mario Monti mehr Wettbewerb auf dem deutschen Abfallmarkt gefordert, dem DSD vorgeworfen, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen und den Wettbewerb einzuschränken. So verfügte er, das DSD müsse seine rund 500 Verträge mit den Entsorgern drei Jahre früher als zunächst geplant, nämlich bis zum 1. Januar 2004 neu ausschreiben.

Auch das Bundeskartellamt will das DSD in seiner jetzigen Form nur noch bis 2006 tolerieren. Vor zwei Jahren war als Erste die Drogeriekette dm ausgestiegen, doch hält das DSD weiterhin ein De-facto-Monopol. Mit einem Marktanteil von mindestens 95 Prozent dominiert die AG mit ihren Partnerfirmen die Geschäfte mit dem grünen Punkt.

„Es gibt keinen Anschlusszwang an das Duale System“, gab sich Achim Struchholz, Sprecher des Kölner Unternehmens, gestern gelassen. „Wer selbst Verpackungen entsorgen will, kann das getreu der Verpackungsverordnung tun.“ Das wolle aber keiner: Immerhin hätte das DSD 19.000 Kunden aus Handel und Industrie.

Das Bundeskartellamt hegt hingegen den Verdacht, das Duale System und der Bundesverband der deutschen Entsorger – in ihm sind die Großen der Branche wie RWE vertreten – würden gemeinsam zum Boykott der zumeist mittelständischen Konkurrenten des DSD aufrufen. Vor anderthalb Jahren hatte das Kartellamt in einer Razzia Geschäftsräume des DSD, anderer Unternehmen und von Verbänden untersucht. Zwei Verfahren sind jetzt anhängig – zum einen wegen möglichen Boykotts der Belland Vision und zum anderen der Landbell AG.

Letztere will ein alternatives duales System in Hessen aufbauen. „Seit Jahren kämpfen wir darum, in den Markt dualer Systeme zu kommen“, sagte gestern der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Schertz.

Schertz könnte dafür sorgen, dass die gelbe Tonne überflüssig wird. Er geht davon aus, es sei unsinnig, jede kleine Cremedose zu sortieren. Die landen bei einem von ihm entwickelten Konzept mit in der grauen Restmülltonne. Dann wird der Müll in einer so genannten Trockenstabilat-Anlage behandelt.

Dort werden zunächst etwa Glas oder Metall automatisch herausgefischt. Plastikfolien, Holzstücke, Papier und Tetrapacks landen in großen Betonkammern, den Rotteboxen. Der Müll wird dann getrocknet und verbrannt. Die dabei entstehende Energie kann genutzt werden. Allerdings hat Schertz auch mit einem Pilotprojekt im Lahn-Dill-Kreis die Behörden bisher noch nicht überzeugen können. Das Verfahren entspricht nicht dem deutschen Prinzip, so weit es geht, alle Stoffe wieder zu verwerten.

Schertz und den Mittelständlern steht übrigens künftig ein anderer Chef des DSD gegenüber: Der mit allen rechtlichen Finessen vertraute Jurist und Politiker Wolfram Brück hat sich Anfang des Jahres in den Ruhestand verabschiedet. Ihm folgt der ebenfalls erfahrene Hans-Peter Repnik, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.