: Gordon Brown erhält Gnadenfrist
Auf dem Parteitag der britischen Labour-Partei bleibt die Revolte gegen Premierminister Gordon Brown aus. Trotz öffentlicher Harmonie – die Nachfolger stehen bereit
DUBLIN taz ■ Die Revolte findet nicht statt. Der angeschlagene britische Premierminister Gordon Brown erhielt auf dem Labour-Parteitag in Manchester, der am Samstag begann, Unterstützung von denjenigen, die als seine potenziellen Nachfolger gelten. Außenminister David Miliband, Justizminister Jack Straw und Gesundheitsminister Alan Johnson forderten in Zeitungsinterviews ihre Partei auf, Brown den Rücken zu stärken. Die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling überreichte der Labour-Partei eine Million Pfund (1,18 Millionen Euro) als Spende. Brown erhielt Standing Ovations, als er die Bühne zur Eröffnung des 109. Parteitags betrat.
In der Fragestunde mit den Delegierten hatte am Tag zuvor die globale Finanzkrise im Zentrum des Interesses gestanden. „Wenn die Menschen fragen, was wir tun werden, um diese Krise verantwortungsbewusst zu meistern“, sagte Brown, „antworte ich in drei Worten: ‚Was notwendig ist.‘ “ Brown will sich diese Krise offenbar zunutze machen, um seine schlechten Umfragewerte zu verbessern, kann er doch auf seine zehnjährige Amtszeit als Schatzkanzler verweisen, in denen es mit Großbritannien wirtschaftlich stetig bergauf ging. „Niemand darf die Schwere dieser Krise unterschätzen“, sagte Brown. Und er sei der geeignete Mann, sie zu meistern.
Doch gerade an der ökonomischen Kompetenz Browns wurden die Zweifel in letzter Zeit lauter. Labour muss bei den Parlamentswahlen in anderthalb Jahren mit einem Sturz ins Bodenlose rechnen. Laut Meinungsumfragen würden die Tories mit einer Mehrheit von 146 Sitzen ins Unterhaus einziehen, wenn heute gewählt würde. Acht Kabinettsmitglieder, darunter Justizminister Straw und Innenministerin Jacqui Smith, würden ihre Mandate verlieren. Selbst Browns eigener Sitz in Schottland wäre gefährdet. Im Süden Englands wäre die Partei aufgrund des Mehrheitswahlrechts praktisch ausgelöscht.
So täuscht die bisher auf dem Parteitag demonstrierte Harmonie. Eine anonyme Meinungserhebung des Guardian hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Delegierten Brown gern loswerden möchte. Offen sagt das nur der ehemalige Innenminister Charles Clarke. Gefährlicher für den Premierminister ist indes, wie Gesundheitsminister Johnson seinen Kollegen Miliband öffentlich lobt – offenbar haben sich die beiden aussichtsreichsten Anwärter für Browns Amt bereits auf die Thronfolge geeinigt. Die Gnadenfrist des Premierministers wird wohl im Frühjahr ablaufen. RALF SOTSCHECK